Ausblick auf Zweitausendsiebzehn

2017 oder das Ende des Westens

2017 könnte das Ende des Westens bedeuten. Es ist gut möglich, dass wir im Dezember 2017 zwei Westen haben, geführt von Angela Merkel respektive Donald Trump.

Geopolitik und Wirtschaftspolitik

Wirtschaft und Geopolitik sind heute stark verwoben. Die Wirtschaft ist gerade in der Europäischen Union mittlerweile enorm politisiert. Insbesondere Deutschland nutzt seine wirtschaftliche Macht und seine finanzielle Stärke, um Europa politisch zu dominieren.

Informelle Macht-Strukturen in der EU

Der Rat der europäischen Staats- und Regierungschefs war ein wichtiges Entscheidungsgremium, ebenso die verschiedenen Ministerräte. Wir erleben aber immer öfter, dass die Berliner Regierung versucht, Entscheidungen vor den Ratssitzungen in kleinem Kreis festzuschreiben. Alle, die diesmal nicht eingeladen wurden, dürfen dann nur noch brav nicken.

Das Dublin-Abkommen wurde in einer Nacht von der deutschen Kanzlerin und dem damaligen österreichischen Kanzler in den Mülleimer befördert.

Das Schengen-Abkommen wurde in der Folge durch einseitige Erklärungen der Berliner und der Wiener Regierungen, dass man auf Dauer wieder Grenzkontrollen durchführen werde, zertrümmert. (Im 20. Jahrhundert hat sich die Praxis durchgesetzt, dass man Kriege nicht mehr erklärt, sondern führt. Im 21. Jahrhundert  wird diese Praxis insofern ausgeweitet, dass man Verträge nicht mehr kündigt, sondern schlicht zertrampelt.)

Auf diese Weise haben Merkel und ihre Kollegen die Institutionen der EU ihrer Substanz beraubt und  zur Fassade degradiert. Eine faire Ausbalancierung der Macht und demokratischen Kontrolle in Europa werden nur noch vorspiegelt.

Das „Genug“ der Briten

Nun hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreiches entschieden, die EU zu verlassen. Die Menschen dort wollen sich politisch und ökonomisch nicht mehr unter Druck setzen lassen, und sie wollen das eigene Schicksal wieder selbst in die Hand zu nehmen.

Die Berliner Antwort: Man weigert sich, mit der Britischen Regierung überhaupt noch zu reden. Und, als ob das nicht genug wäre: man versucht auch noch, 26 weiteren in der EU verbleibenden  Regierungen das Gespräch mit der britischen Regierung zu verbieten.

Es gib nur eine einzige Parole, die alle 27 vor sich her stottern: „Den Menschen in England muss es nach Verlassen der EU schlechter gehen, als es ihnen innerhalb der EU gegangen wäre!“ Keiner sieht, dass dieses Verhalten in sich selbst schon ein Grund ist, die EU so schnell wie möglich zu verlassen.

Donald Trump

In der Zwischenzeit haben die Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. Gott und die Welt haben ihr Entsetzen über die Wahl von Donald Trump geäußert. Unser künftiger Präsident Steinmeier hatte einen solchen Wahlausgang für völlig unmöglich gehalten. Er er glaubte, ohne negative Folgen den Kandidaten Trump als Hassprediger beschimpfen zu können und sollen.

In Wirklichkeit wird sich durch die Wahl von Trump die Außenpolitik der USA in der Substanz nur graduell ändern. Trump wird den geordneten Rückzug Obamas aus dem Mittleren Osten und aus Europa (zum Leidwesen John McCains) fortsetzen.

Es werden sich Nuancen ändern. Trump wird sich Israel gegenüber nicht so feindselig verhalten wie Obama. Er wird voraussichtlich auch überdenken, ob die USA wirklich den PKK-Ableger YPG mit Waffen und Ausbildern unterstützen sollten. Trump  wird auch erwägen, Syrien im Einvernehmen mit dem NATO-Partner Türkei und mit Putin zu stabilisieren.

In der Auseinandersetzung um die Ukraine und die russische Bedrohung Osteuropas war Obama eher ein Getriebener, und bei Trump wird das nicht viel anders sein.

Innenpolitisch wird sich in USA manches ändern, aber das soll hier nicht meine Sorge sein. Allerdings werde ich ein Auge die Diskussion um die Neugestaltung der Unternehmensbesteuerung haben, denn diese kann das komplette System des Welthandels und das weltweite Finanzsystem stark beeinflussen.

Nato und EU

Eine konstruktive Reaktion auf das Brexit-Votum wäre gewesen, die Nato als Plattform für eine gemeinsame Sicherheitspolitk des Westens zu stärken.

Wir haben jedoch das Gegenteil erlebt: Ein verhaltener Jubel aus Berlin: Endlich können die Briten ein militärisches Kommandozentrum auf EU-Ebene nicht mehr blockieren.

Dies zeigt, dass es mit einer Westorientierung in Berlin nicht mehr weit her ist.

Wahl in Frankreich

Es wird nach dem Abgang Hollandes mit Sicherheit eine neue Ausbalancierung der französischen Außenpolitik geben, unabhängig von der Entscheidung, wer Hollande nachfolgen wird.

Frankreich wird nicht mehr bedingungslos dem Kurs Merkels gegenüber Russland folgen. Und Frankreich wird sich – wenn Merkel ihre Position zu Theresa May nicht ändert – in der Sicherheitspolitik zwischen einer Kooperation mit Berlin und einer Kooperation mit London und Washington entscheiden müssen.

Wenn  Fillon oder Macron Präsident werden würde, könnte dieser Anpassungsprozess in die Länge gezogen werden, so dass der Wahlkampf in  Deutschland nicht gestört wird.

Aber ein Sieg von Marine Le Pen würde Merkel unter Zugzwang setzen. Ihr Versuch, die Probleme Europas auf die Zeit nach der Bundestagswahl zu verschieben, wäre gescheitert. Sie müsste schnell Farbe bekennen, ob Sie

  • mit Le Pen zusammenarbeiten wollte,
  • oder ein Redeverbot wie mit Theresa May durchsetzen wollte
  • oder gleich den Ausschluss Frankreichs aus der EU betreiben wollte

Wahl in Deutschland

Es ist nicht so klar wie manche denken, dass Merkel eine vierte Amtszeit als Kanzlerin gewinnen wird. Eine rechtspopulistische Regierung werden wir hier nicht erleben, aber eine linkspopulistische ist durchaus im Bereich des Möglichen.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel könnte sich an das Erfolgsrezept Schröders aus dem Jahr 2002 erinnern: Merkel in der Außenpolitik rechts überholen und einen „deutschen Weg“ ausrufen.

Mit einem US-Präsidenten Trump wird Antiamerikanismus in Deutschland zum guten Ton gehören. Selbst Merkel wird sich dazu bekennen.

Aber es wird Merkel auch nichts anderes übrig bleiben, als die Verlegung von US-Truppen nach Polen zu akzeptieren und den Bau des Raketenschutzschildes in Osteuropa zumindest zu tolerieren. Gabriel wird ihr deshalb vorgespielten Antiamerikanismus vorwerfen.

Insbesondere die Linkspartei wird versuchen, Stimmen bei der AFD einzusammeln. Hier können Lafontaine und Wagenknecht die starke Ablehnung gegen Merkel unter den AFD-Wählern nutzen und argumentieren: „Eine Stimme für die AFD ist eine Stimme für den Verbleib Merkels im Kanzleramt.“ Also: Wer „Merkel muss weg“ ruft, muss links wählen.

Das Ende des Westens

Nachdem mit der Wahl Trumps als Präsident der USA Antiamerikanismus in Deutschland zum Teil der Staatsräson zu werden scheint, wird es in Zukunft zwei verschiedene „Westen“ geben: Einer unter der Flagge der EU, personifiziert durch Merkel. Dieser Merkelsche Westen wird je nach Ausgang der Wahlen in Frankreich entweder am Rhein, oder an der Westküste des europäischen Kontinents enden. Und es wird einen anglo-amerikanischen Westen geben, der sich um die USA und Großbritannien schart.

Aber zwei Westen ist dasselbe wie kein Westen. Die globalen Institutionen der Nachkriegsordnung (UN, EU, NATO, IWF) wurden bereits ausgehöhlt und  geschwächt. Die Institutionen der EU werden obendrein mittels eines informelles Netzwerks gelenkt. (Wenn die EU-Kommission wichtige Entscheidungen trifft, ohne vorher in Berlin anzurufen, ist das Kanzleramt beleidigt.)

Und wenn Gabriel gewinnt?

Wenn Sigmar Gabriel die Möglichkeit sieht, wird er versuchen selbst Kanzler in Berlin zu werden. Das kann ihm gelingen, wenn er einen Tsumani des Antiamerikanismus reitet. Das Ende des Westens ist dann definitiv gekommen.

Man könnte nun meinen, mit Gabriel könnte es – analog zum Merkel-Westen -einen EU-bestimmten Westen geben.

Aber Gabriel hat nicht die Statur, die notwendig ist um Griechenland und Finnland sowie gleichzeitig Portugal und Ungarn unter einen Hut zu bringen.

Nach seinem Wahlsieg würde es also nur  den einen Westen geben, den atlantischen Westen. Die EU unter Gabriel wäre nicht mehr Teil des Westens.

 

 

 

Nach der Brexit Entscheidung

Nach der Brexit-Entscheidung stellt sich nun die Frage, wie es jetzt weitergehen soll.

Auf britischer Seite sind die nächsten Schritte vorgezeichnet. Die Briten müssen sich erstmal neu sortieren. Es steht die Debatte an, was man denn positiv will in Bezug auf die EU, nachdem man entschieden hat, aus der EU auszutreten. Diese Debatte wird einen neuen Premier-Minister und möglicherweise auch einen neuen Oppositionsführer hervorbringen. Es ist gut möglich, daß die neue Regierung in London dann zu dem Schluß kommt, daß sie die Wähler um eine neue Legitimation für ihr weiteres Vorgehen bitten muß.

Reaktion der EU

Die Seite der EU war sicherlich nicht so überrascht und geschockt wie sie vorgibt, denn die Umfragen zu dem Volksentscheid waren über Wochen nicht eindeutig, es war immer eine klare, wenn auch nicht die einzige Möglichkeit, daß die Briten sich gegen eine weitere Mitgliedschaft in der EU entscheiden könnten. Juncker, Merkel, Steinmeier, Hollande, Tusk hatten also alle Zeit der Welt, sich auch auf diesen Fall vorzubereiten, und haben es auch getan.

Zwei Optionen der EU

Sie haben die Wahl, eine Bestrafung der Briten zu versuchen und, wie von manchen angekündigt, alles zu tun um ein Scheitern Großbritanniens herbeizuführen, bis hin zu einem Angriff auf die territoriale Integrität des Vereinigten Königreichs und einem neuen Anfachen des Konfliktes in Nordirland.

Oder sie können sich die Mühe machen, den Vertrag von Lissabon erneut zu lesen und dann feststellen, daß die Briten keine Straftat begangen haben und somit auch nicht bestraft werden müssen. Dann könnten sie sich vielleicht an einer konstruktiven Debatte beteiligen, wie das Verhältnis zum Vereinigten Königreich auch ohne eine EU-Mitgliedschaft positiv gestaltet werden kann.

Jedenfalls sollten sich die Herren Juncker, Schulz, Steinmeier, Gabriel und andere daran erinnern, daß der Vertrag von Lissabon zwar eine mögliche Austrittserklärung vorsieht, daß diese jedoch nur von den Regierung des austretenden Landes abgegeben werden kann, zu einem von dieser bestimmten Zeitpunkt. Ein Ausschluss aus der EU ist nicht möglich, auch nicht nach einem Volksentscheid wie kürzlich in Großbritannien. Und sicherlich können weder Schulz noch Juncker, noch Steinmeier, noch Gabriel, noch Merkel diese Austrittserklärung für das Vereinigte Königreich abgeben.

Die Fragen, die für die EU zu klären sind

Abgesehen von Diskussionen über die zukünftige Rolle der Londoner City für EU und Eurozone ergeben sich noch ganz andere Fragen, über die im Kanzleramt sicherlich nachgedacht wird:

  • Was wird aus dem Ärmelkanal Tunnel
  • Was wird aus Vodafone
  • Was wird aus dem europäischen Stromnetz
  • Kann die EU noch auf britisches Erdgas zählen, sollte aus dem einen oder anderen Grund nicht genug Gas aus Rußland kommen?
  • Wie verändern sich die Machtverhältnisse innerhalb der EU?
  • Wer kann neue Sperrminoritäten bilden, wenn die Stimmrechte Großbritanniens weggefallen sind?
  • Wie verändert sich das Verhältnis zwischen EU und Nato?
  • Welchen Einfluss werden EU, Großbritannien und Deutschland zukünftig jeweils bei IWF, Weltbank und UN haben?

EU setzt auf Konfrontation

Die EU scheint sich für den Weg der Konfrontation entschieden zu haben. In diesem Zusammenhang erscheint es mir sehr unwahrscheinlich zu sein, daß die Steinmeiers und Gabriels ohne Absprache mit Merkel und gegen deren Willen agieren.

Woher kommt nun die Forderung, ein Land zu bestrafen, weil es angekündigt hat, ein im EU-Vertrag verbrieftes Recht wahrzunehmen, und zu versuchen, dieses Land sofort und in rechtswidriger Weise aus den Entscheidungsprozessen der EU hinauszudrängen?

Die Begründung, man benötige Klarheit um die Finanzmärkte zu beruhigen, kann nur vorgeschoben sein. Im Moment könnte nur eins die Finanzmärkte merklich beruhigen: Klare Signale von allen Seiten, daß man entschlossen ist, konstruktiv und bedachtsam mit einer schwierigen Situation umzugehen. Aus Brüssel kommt das Gegenteil, während in Berlin die Worte aus dem Kanzleramt im Widerspruch zu den Aktionen des Aussenministers stehen.

Dieses Bild bewirkt sicherlich keine Deeskalation der aktuellen Krise. Im Gegenteil, eine wirksamere Strategie zur weiteren Verunsicherung der Wirtschafts- und Finanzwelt ist kaum denkbar.

Merkels Zauberlehrlinge haben übernommen

Steinmeier, Gabriel, Schulz, Juncker und Hollande hatten mehrmals Gelegenheit zu beobachten, wie Merkel von Zeit zu Zeit Krisen anheizt, um ihre Ziele durchzusetzen. Sie wollen es ihr nun gleichtun, und die Brexit-Krise nutzen, um ihre eigene Agenda durchzusetzen.

Merkel sieht ihnen beim anheizen der Krise gelassen zu. Sie lässt sie gewähren, distanziert sich aber leise mit mahnenden Worten. Das ist klug, denn so suggeriert sie Uneinigkeit und eingeschränkte Handlungsfähigkeit in Berlin. Damit verstärkt sie das Gefühl der Unsicherheit, das die Finanzmärkte nach der Brexit-Entscheidung in den Krisenmodus treibt, und zu neuen Zinsaufschlägen für die Euro-Staaten am Mittelmeer führt. Gleichzeitig kann sie auf diese Weise die Verantwortung für die kommende Zuspitzung anderen zuschieben.

Berlin hat einen Plan

Im Kanzleramt in Berlin sind sicherlich schon seit einigen Monaten einige hundert der hellsten Köpfe damit beschäftigt über diese und weitere Fragen nachzudenken, und nach Aussage von Wolfgang Schäuble hatte die Bundesregierung vor der Brexit-Abstimmung einen Plan in der Schublade für den Fall, dass sich die Briten gegen die EU entscheiden sollten. Man darf getrost davon ausgehen, dass wir im Moment Zeuge einer frühen Phase der Ausführung dieses Planes sein dürfen.

Warum jedoch lässt Merkel die Zauberlehrlinge gewähren, wo sie doch weiß, daß diese darauf aus sind, sich einen Teil ihrer Macht anzueignen?

Die Antwort ist einfach: Sie weiß, daß es sich dabei nur um Zauberlehrlinge handelt, die in Wirklichkeit nicht wissen was sie tun. Sie haben zwar gesehen, daß Merkel zuweilen Krisen anheizt und dann nutzt um ihre Machtansprüche durchzusetzen. Aber den zweiten Teil ihrer Technik, der nicht so sichtbar ist, den haben sie übersehen: Nämlich klar definierte Ziele und einen durchdachten Aktionsplan zu haben, der im richtigen Moment Schlag auf Schlag umgesetzt werden kann.

Die Rolle der Zauberlehrlinge

Ihren Zauberlehrlingen fehlen klare Ziele, und ein klarer Plan. Sie sind jedoch zu Merkel sehr freundlich, entzünden ein Feuer und bringen die Küche zum Glühen. Merkel wartet dann, bis die Küche brennt und die Zauberlehrlinge nicht mehr weiterwissen. Dann ist ihre Zeit gekommen, die Welt zu retten und dafür ihren Preis zu verlangen.

Merkels Preis

Merkels Preis wird sein, dass die verbleibenden EU-Staaten die Vorherrschaft Berlins, und ein faktisches Vetorecht Berlins in allen Fragen anerkennen. Die von Merkels Zauberlehrlingen erzeugte Panik an den Finanzmärkten wird die Euroländer vor genau diese Alternative stellen: Unterwerfung oder Ausscheiden.

Für die Länder Osteuropas hat ein anderer Aspekt der Konfrontation zwischen den Mächtigen der EU und Großbritannien eine wichtige Konsequenz: Die NATO wird noch mehr zu einer bloßen Hülse. Die wichtigsten europäischen Mitglieder der NATO werden zerstritten und unfähig zum gemeinsamen Handeln sein, und die Vereinigten Staaten haben keine Möglichkeit, ohne gemeinsame logistische Unterstützung durch Deutschnd und Großbritannien in Osteuropa eine nennenswerte militärische Rolle zu spielen. Somit werden die osteuropäischen Staaten gezwungen sein, sich zu entscheiden, ob sie sich Putin oder Merkel unterwerfen wollen.

Griechenland und das Mittelmeer-Gebiet

Nach dem Ausscheiden des Vereinigten Königreiches können Länder eine Sperr-Minortität bilden, wenn sie zusammen knapp 200 Millionen Einwohner haben. Portugal, Spanien, Frankreich und Griechenland kommen zusammen auf rund 195 Millionen. Sie benötigen also nur noch ein weiteres relativ kleines Land wie Kroatien, Irland oder Österreich als Bündnispartner, um Beschlüsse in den Ministerräten der EU blockieren zu können.

Daher wird es für Merkel attraktiv sein, Griechenland aus der Eurozone und auch aus der EU herauszudrängen. Die notwendigen Vorbereitungen sind mittlerweile getroffen: Grenzen werden wieder kontrolliert und können – inklusive des Brennerpasses – kurzfristig geschlossen werden. Devisenkontrollen gelten für Griechenland sowieso, der Apparat diese durchzusetzen ist vorhanden und erprobt.

Für Merkel hat dies den weiteren Vorteil, daß sie in diesem Fall die Verantwortung für die sowieso notwendige Abschreibung der Schulden Griechenlands gegenüber Deutschland und den Institutionen der Eurozone der Brexit-Entscheidung zuweisen könnte. Damit wäre ihr größtes Dilemma gelöst: Sie kann innenpolitisch weder einen vom IWF geforderten Schuldenschnitt für Griechenland rechtfertigen, noch eine Fortführung der sogenannten Rettungskredite für Griechenland ohne Beteiligung des IWF sicher im Bundestag durchsetzen.

Wenn dann Zypern und Italien, eventuell auch Spanien, Portugal und Malta mit Griechenland gehen würden, wäre dies für Merkel kein wirklich großes Problem. Schuld wären natürlich die Briten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Flüchtlingskrise – Merkels Quadratur des Kreises

Flüchtlingskrise definiert griechische Nordgrenze als Südgrenze des Merkel-Reiches

Langsam hat Merkel die Kontrolle in der Flüchtlingskrise zurückgewonnen. Die Grenzen werden wieder kontrolliert, und nur noch die Flüchtlinge werden durchgelassen, die man haben will. Allerdings findet die Kontrolle  nicht innerhalb Deutschlands oder der EU statt, und rechtsstaatliche Standards sind nicht ersichtlich.

Die Kontrolle findet nämlich wie im EU-Vertrag vorgesehen an der Außengrenze des Schengen-Gebietes statt, nämlich an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien. Allerdings fallen die Entscheidungen auf der mazedonischen Seite, und damit außerhalb des Gebietes in dem EU-Recht gilt. Dabei fällt in der allgemeinen Aufregung kaum auf, dass nach diesem neuen Reglement nicht Menschen an der Einreise in das Schengen-Gebiet (in diesem Fall Griechenland) sondern wie weiland in der DDR an der Ausreise aus dem Schengen-Gebiet gehindert werden.

Informelle Machtstrukturen ohne parlamentarische oder gerichtliche Kontrolle werden etabliert

Und nicht die griechische Regierung entscheidet, wer Griechenland verlassen darf, sondern eine nicht näher beschriebene Frontex-Mission die auf dem Balkan-Gipfel im Oktober beschlossen wurde.

Letztlich hat Griechenland unter der Drohung, aus dem Schengen-Gebiet ausgeschlossen zu werden, zugestimmt dass Frontex in Zusammenarbeit mit der Mazedonischen Grenzpolizei entscheiden darf, wer Griechenland Richtung Mazedonien verlassen darf, und wer in Griechenland bleiben muss. Syrer, Afghanen und Iraker dürfen derzeit durch, Griechen vermutlich auch.

Aber wie entschieden wird, welcher ehemalige Einwohner von Damaskus Syrer ist, und wer Palästinenser ist, oder welche Paschtunen Afghani sind, und welche Paschtunen Pakistani sind, das bleibt im Dunkeln. Es gibt auch kein Rechtsmittel dagegen, wenn auf diese Weise ein von Boko Haram verfolgter Afrikaner daran gehindert wird, in Deutschland einen Asylantrag zu stellen

Deutlich wird jedoch, dass hier an den Institutionen der EU vorbei eine informelle Entscheidungsstruktur etabliert wurde, deren Fäden allem Anschein nach im Berliner Kanzleramt gezogen werden.

So darf man also sagen: Merkel hat die südliche Grenze Ihres Reiches als die Nordgrenze Griechenlands definiert und eine „zivile Mission“ hat mit Unterstützung des Frontex-Systemes die Kontrolle über diese Grenze übernommen. Gleichzeitig wurde jede rechtsstaatliche Kontrolle über die Anwendung des Asylrechts im Merkel-Reich ausgehebelt.

Das alles hat Sie geschafft, ohne sich die Finger schmutzig zu machen. Sie hat sich als die „Große Gütige“ dargestellt, und Victor Orban sowie die Griechen, Mazedonier, Kroaten und Slowenen die Drecksarbeit machen lassen.

Das Schengen-System ist für lange Zeit nicht mehr funktionsfähig 

Gleichzeitig hat Merkel zugelassen, dass durch die Flüchtlingskrise eine unbekannte Anzahl unbekannter Personen in das Schengen-Gebiet einreisen konnten. Dies führt zwangsläufig dazu, dass Grenzkontrollen im Schengen-Raum auf lange Sicht wieder zur Normalität werden wird, und dass ein engmaschiges Netz der Massen-Überwachung über Europa gespannt werden wird, um eventuelle Illegale aufzuspüren. Da man nicht weiß, wie viele gekommen sind, ohne sich dem Prozess der Erkennungsdienstlichen Behandlung auszusetzen, gibt es auch keinen Punkt, an dem man sagen könnte: „Jetzt sind alle gefunden“.

Neue Grenzkontrollen als Voraussetzung für die Zerschlagung des Euro

Dadurch ergibt sich die Legitimation, ein System der Grenzkontrollen an den Landgrenzen, den Flughäfen und in den Zügen neu zu etablieren.

Dieses System der Barrieren gegen die Reisefreiheit der Menschen wird aber auch gebraucht, wenn man einzelne Länder aus dem Euro kicken will, bzw. den Euro komplett zum Platzen bringen will. Man muss nur darüber nachdenken, was die rationale Reaktion der Menschen in Griechenland auf einen Ausschluss aus dem Eurosystem und dem damit verbundenen Zusammenbruch der gesamten wirtschaftlichen Aktivität inklusive aller öffentlichen Dienstleistungen wäre: Die Menschen würden in den Norden Europas kommen, versuchen dort einen Job zu bekommen. Viele würden hier Sozialleistungen beantragen, und viele würden sich gar nicht registrieren und schwarz arbeiten. Das würde in Deutschland zu einer Revolution von Rechts führen.

Neu eskalierende Eurokrise als offizieller Gründungsakt des Merkel-Reiches

Wir dürfen also getrost erwarten, dass entsprechend der bekannten Methode Merkels nach der Flüchtlingskrise und der Etablierung des neuen Systems der Barrieren gegen Migration die Eurokrise wieder hochkocht. Bei Griechenland ist die Bruchstelle ja bereits eingebaut, da die Einbindung des IWF noch nicht geregelt ist, und die angestrebten Privatisierungserlöse auch sehr fraglich sind. Aber man könnte dann auch die ganze Reihe der Dominosteine umwerfen und die mediterranen Länder „mit großem Bedauern“ aus dem Euro fallen lassen. Die Grenze des dann verbleibenden Restes der Eurozone könnte die Westgrenze des Merkel-Reiches markieren.

Die Nordgrenze des Merkel-Reiches wäre die Ostsee, und der östliche Nachbar wäre Putin.

 

 

Design für Europa by Angela Merkel

Ich will hier nicht über die moralischen Implikationen der erneuten „Rettung“ Griechenlands reden. Auch die finanziellen Risiken sind heute nicht mein Thema.

Vielmehr möchte ich beleuchten, was das Verhalten von Merkel und Schäuble über die politischen Prioritäten und Absichten der Berliner Regierung aussagt.

Zwei Punkte zum Nachdenken

Dabei möchte ich zunächst einmal Ihre Aufmerksamkeit auf zwei Aspekte lenken:

  1. Merkel und Schäuble haben Ihre Verhandlungsziele vorher veröffentlicht und sind danach nicht einmal einen Handbreit davon abgewichen. (Hier ist das Schäuble-Papier im PDF- Format)
  2. Merkel und Schäuble haben Tsipras nicht etwa nur mit dem Ausschluss aus dem Eurosystem gedroht, sondern letztendlich mit der Zerstörung des griechischen Finanzsystems und der vollständigen Abtrennung Griechenlands vom internationalen Zahlungsverkehr. Das würde bedeuten, keine Überweisung mehr nach Griechenland, keine Rechnung an einen ausländischen Lieferanten einer griechischen Firma kann mehr bezahlt werden, keine Kreditkartenzahlung mehr in Griechenland oder mit griechischen Karten weltweit.
Das vorher veröffentlichte Endergebnis der Verhandlungen

Es ist durchaus ungewöhnlich, dass ein Teilnehmer an einer Verhandlung seine Positionen vor Beginn veröffentlicht. Wenn er seine maximalen Forderungen veröffentlichen würde, könnte ich das noch verstehen. Aber die Linie vor Beginn der Verhandlungen zu veröffentlichen, von der er bis zum Endergebnis nicht abzuweichen bereit ist?

Was kann eine eine solche Veröffentlichung bewirken? Die Absicht kann nur gewesen sein, für jeden klar und deutlich zu dokumentieren, dass man in der Lage war, das Verhandlungsergebnis alleine und im Voraus zu bestimmen, dass also in Wirklichkeit gar nicht verhandelt wurde, sondern ein Diktat entgegengenommen wurde.

Wer sollte dadurch gedemütigt werden? Griechenland? Griechenland und Tsipras haben bereits dadurch vollständig ihr Gesicht verloren, dass sie einem Ergebnis zugestimmt haben, welches nur wenige Tage zuvor in einem Referendum mit einer Mehrheit von über 60 Prozent abgelehnt worden war. Nein, diese Veröffentlichung war nicht gegen Griechenland gerichtet.

Die Vorveröffentlichung hat für jeden sichtbar dokumentiert, wie wenig eine Koalition selbst aus der EU-Kommission, dem IWF, Frankreich und Italien im Rahmen der Eurozone ausrichten kann. Merkel wollte damit ein für alle mal auch öffentlich klar machen, wer der Herr im Hause Euro ist.

Der zweite Punkt, nämlich die konsequente Zerstörung des griechischen Finanzsystems mit der Konsequenz, dass das Land vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten wird, war dann ein Exempel, was passiert, wenn es jemand ernstlich wagt, sich Merkel zu widersetzen.

Schäuble hat dies noch mehr auf den Punkt gebracht, indem er die Amerikaner herausforderte, doch die Griechen über das Dollar-System wieder an das globale Finanzsystem anzubinden. Die Begleitmusik zu Schäubles „Scherz“ waren dann angebliche neue „Enthüllungen“ über die NSA. Diese Enthüllungsartikel, deren Überschriften durch die Substanz im Text darunter nicht gedeckt werden, stellen eine impliziten Drohung dar, im Zweifelsfall auch die NATO als Institution anzugreifen.

Man darf also getrost davon ausgehen, dass dieser Sonntag in der Essenz eine Machtdemonstration Merkels war, darauf gerichtet jeden Widerstand in der Eurozone gegen ihren Machtanspruch als Kaiserin der EU im Keim zu ersticken. Dass ich nicht der einzige mit dieser Wahrnehmung bin sehen Sie in diesem Blog-Post des Ökonomie-Nobelpreisträgers  Paul Krugman.

Kampf gegen ISIS hat für Merkel keine Proirität

Die Alternative, vor die Merkel den griechischen Premier Tsipras stellte, war:

  1. Vollständige und bedingungslose Unterwerfung oder
  2. Vollständige Zerstörung der staatlichen, ökonomischen und sozialen Strukturen in Griechenland.

Nun konnte Merkel nicht sicher sein, das Tsipras die Kapitulation unterschreiben würde, und kann sich bis heute nicht sicher sein, dass er in der Lage ist, Ihre Bedingungen in Griechenland durchzusetzen. Also müssen wir auch darüber nachdenken, was ein Tod der griechischen staatlichen Strukturen durch Erwürgen für Folgen hätte.

Es ist offensichtlich, dass Griechenland dadurch zu einer Operationsbasis für ISIS und Hisbollah werden würde, abgesehen von einem durchaus wahrscheinlichen Bürgerkrieg in Griechenland zwischen Nazis und Linken.

ISIS würde dadurch die Möglichkeit erhalten, über Griechenland sich im Balkan festzusetzen, also besonders im Kosovo, Albanien und Bosnien. Sie würden gleichzeitig in die Lage kommen, Griechenland als Versorgungsroute und Aufmarschbasis für Aktionen in Libyen, Ägypten und auch Italien zu nutzen. Das gesamte östliche Mittelmeer würde destabilisiert werden.

Anscheinend ist das ein Preis, den Merkel für ihre Hegemonie in der EU zu bezahlen bereit ist.

Neue Struktur der EU

Es ist gänzlich offensichtlich, was dies für die EU-Mitglieder Zypern, Malta und Italien, perspektivisch auch für Frankreich, Spanien und Portugal bedeuten würde: Destabilisierung, Zerstörung der Tourismusindustrie, keinerlei neue Investitionen und noch weiter verstärkter Brain Drain. Als Kern der Eurozone stünden dem gegenüber die Gebiete, die 1914 von den Kaisern in Berlin und Wien beherrscht wurden, plus die Benelux-Staaten und möglicherweise Dänemark und Finnland.

Im Osten würde es eine relativ scharfe Abgrenzung der Einflusszonen mit Russland geben. Merkel und Putin müssen darauf bedacht sein, dass keine andere Macht, also weder USA noch China nennenswerten Einfluss in Osteuropa gewinnen kann. Deshalb werden beide versuchen, den Zugang vom Schwarzen Meer aus nach Osteuropa auf Dauer zu versiegeln.

Daher darf man davon ausgehen, dass die Auseinandersetzungen in der östlichen Ukraine sich bald bis nach Odessa ausweiten werden.

Die USA sind die einzigen, die der Erpressung und Marginalisierung der Mittelmeerländer durch Merkel verhindern könnten, und die auch einem Versuch der Aufteilung Osteuropas zwischen Deutschland und Russland etwas entgegensetzen könnten. Der aktuelle US-Präsident hat jedoch bereits mehrfach gezeigt, dass er den Willen und die Kraft, sich in Europa und dem östlichen Mittelmeerraum durchzusetzen oder auch nur ernsthaft zu engagieren, nicht aufbringt.

Zeitfenster für Merkels Plan bis Herbst 2017

Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass es ab 2017 wieder einen Präsidenten in den USA geben wird, dessen Vater noch im 2. Weltkrieg gegen den deutschen Anspruch, Europa zu dominieren sein Leben riskiert hat, und für den die Absprachen im Rahmen der deutschen Wiedervereinigung noch keine Makulatur sind.

Daher werden Putin und Merkel versuchen, bis Ende 2016 neue und klare Realitäten in Europa zu schaffen