Automatisierung und Deglobalisierung

Johannes StockburgerDie gegenwärtige Welle der Automatisierung wird von „Big Data“ und der dazugehörigen IT-Infrastruktur getrieben.
Die Leistungsfähigkeit und Stabilität der Daten-Infrastruktur, und damit die Machbarkeit automatischer Prozesse, sowohl in der industriellen Produktion als auch im Servicebereich, hängt wiederum von einer zuverlässigen und preisgünstigen Versorgung mit elektrischer Energie ab.

Diese zunehmende Welle der Automatisierung beraubt die superkomplexen globalen Lieferketten ihrer Daseinsberechtigung. Schließlich beruhte der Nutzen dieser Globalisierung in erster Linie auf den unterschiedlichen Arbeitskosten an unterschiedlichen Standorten. Die Lohnkosten eines Roboters sind jedoch Null. Die Frage des Standortes entscheidet sich an der Infrastruktur und an der allgemeinen Lebensqualität für hochqualifizierte Fachkräfte, die zum Betrieb der automatischen Anlage immer noch gebraucht werden.

Die „alte“ Globalisierung“

In den 3 Jahrzehnten zwischen 1970 und 2000 hatte sich die Weltwirtschaft weitgehend umstrukturiert: Produktionsschritte, die  einen großen Teil ihrer Wortschöpfung durch einfache manuelle Arbeiten erzielten, oder eine erhebliche Belastung der lokalen Umwelt mit sich brachten, wurden in Länder mit geringen Arbeitskosten ausgelagert. Der Trend zur Automation von Industrieproduktion und Dienstleistungen stellt heute diese überkommenen Strukturen massiv in Frage. gestellt.

11. September 2001 als Wendepunkt

In den vergangenen Jahren wurde der Trend zu diese Globalisierung immer schwächer, bis er sich schließlich umgekehrt hat. Begonnen hat diese Schwächung der Globalisierung mit dem 11. September 2001.

Die Abhängigkeit der Industrieländer und besonders der Vereinigten Staaten von komplexen globalen Lieferketten hatte sich zu einer echten Gefahr entwickelt.

Der Zenit der aktuellen Globalisierungswelle wurde in drei Bereichen besonders deutlich::

Energie

Der Angriff von Al Quaida auf die Machtzentren der USA, bei dem mehrere Tausend amerikanische Zivilisten getötet wurden, hat zu einer großen Entschlossenheit geführt, sich von den Ölvorkommen im Mittleren Osten unabhängig zu machen, unter anderem durch die Entwicklung der Gas- und Ölvorkommen in Schiefer-Formationen, und auch durch die Entwicklung von erneuerbaren Energien.

„Drill, Baby, drill“ war, neben den militärischen Interventionen in Afghanistan und Irak, die zweite wichtige Antwort der USA auf den 11. September.

Es wurde jedoch auch – zunächst kaum ernst genommen –  elektrisch betriebene Fahrzeuge, die unabhängig von Öl aus dem Mittleren Osten funktionieren, entwickelt.

Europa versuchte auch, sich vom Öl aus dem Mittleren Osten unabhängiger zu machen. Die Zusammenarbeit mit Russland wurde verstärkt, und im Jahr 2005 wurde mit dem Bau der Ostsee-Pipeline begonnen, die russisches Erdgas direkt nach Deutschland bringt.

Insbesondere in Deutschland wurde auch der Ausbau von Windrädern und Photovoltaikanlagen massiv subventioniert. Dieser Ausbau wurde nach dem Tsunami von Fukushima in den Turbomodus gehoben. Im Gegensatz zu den USA und auch zum Weltmarkt wurde dadurch Energie und insbesonder elektrische Energie massiv verteuert. Dieser Effekt wurde für viele Industriebetriebe durch Subventionen abgemildert.

Wind- und Sonnenenergie ohne entsprechende Speichermedien muss durch andere Energieträger ersetzt werden, wenn die Sonne nicht scheint und kein Wind weht. Dadurch hat die deutsche „Energiewende“  die Abhängigkeit von fossil befeuerten Erdgaskraftwerke massiv verstärkt.

Big Data

Die Entwicklung von „Big Data“ Technologien, zunächst zum Zweck der Früherkennung von Bedrohungen, war die dritte Antwort auf den Angriff am 11. September 2001.  Dabei wurden so große Datenmengen generiert, daß diese unmöglich komplett von Menschen gesichtet und analysiert werden konnten.
Diese gewaltigen Datenmengen haben große Fortschritte in den Bereichen der künstlichen Intelligenz und der Automatisierung ermöglicht und erzwungen.

Finanzen

Die globale Finanzkrise von 2007 und 2008 war zwar keine direkte Antwort auf den 11. September, aber eine Spätfolge.
Der Krieg im Irak, der im Wesentlichen darauf zurückzuführen war, dass die Vereinigten Staaten Saddam Hussein mit den Milzbrand-Angriffen gegen amerikanische Parlamentarier und Journalisten in Verbindung gebracht hatten – auch wenn dies später nicht nachgewiesen werden konnte – hat unglaubliche Kosten verursacht.
Und der anschließende Versuch, im Irak neue staatliche Institutionen zu schaffen, erwies sich als so aufwendig, daß durch die zusätzlichen schuldenfinanzierte Kriegsausgaben die US-Wirtschaft überhitzte.

Durch die damit verbundene Dollarschwemme fiel der US-Dollar auf ungekannte Tiefstände, und es bildeten sich enorme Blasen in den Immobilienmärkten der USA und in den Rohstoffmärkten der Welt.

Nachdem die Blase des Immobilienmarktes in Amerika bereits geplatzt war, und die Banken weltweit erheblich geschwächt hatte, tat der gescheiterte Angriff Russlands auf Georgien für die Ölpreise und den Wechselkurs des Euro das seinige.

Im Jahr 2008 stand der Ölpreis zeitweise bei 140 Dollar pro Fass, und ein Euro kostete 1,50 Dollar. Der Ölpreis stürzte dann innerhalb weniger Wochen auf etwa 40 Dollar ab und erreichte nie wieder den Höchststand von 2008.

source: tradingeconomics.com

Der Euro stürzte gleichzeitig von knapp 1,60 USD auf gut 1,20 USD ab.

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Der Absturz des Euro konnte nur mittels einer unbegrenzten Kreditlinie der US-Notenbank für die Europäische Zentralbank und andere große Notenbanken aufgefangen werden.

Die Konsequenzen der Krisen für drei großen Wirtschaftsblöcke für Wachstum und Investitionen

Der kurzzeitige Infarkt des weltweiten Wirtschaftssystemes im Rahmen der Finanzkrise von 2008 führte sowohl in China als auch in den USA zu einem Überdenken der Frage, wie Lieferketten konfiguriert sein sollten, wo sich Absatzmärkte befinden sollten, und wie sich Lieferketten bzw. die geographische Lage der Absatzmärkte auf die nationale Sicherheit beider Staaten auswirken.
Im folgenden finden Sie eine kurze Diskussion dieser drei führenden Wirtschaftsblöcke auf den Infarkt von 2008.

China

China antwortete auf diese Krise mit einem unglaubliches Investitionsprogramm mit Fokus auf die Infrastruktur. Damit konnten große Teile des Hinterlandes in die industrielle Produktion mit einbezogen werden. Das bedeutete natürlich viele Millionen neue Jobs. Mehr Menschen konnten somit auch Geld verdienen. Dadurch ist der interne chinesische Markt enorm gewachsen, und die chinesische Abhängigkeit von Exportmärkten wurde reduziert.

Dieses Programm bewirkte, dass sich das Bruttoinlandsprodukt Chinas in nur 4 Jahren, von 2008 bis 2012, annähernd verdoppelt hat, wie das folgende Diagramm zeigt.

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Die jährlichen Brutto-Anlageninvestitionen in China haben sich in den 8 Jahren von 2004 bis 2012 annähernd verdreifacht. Ein Diagramm Zahlen finden Sie hier.

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Aber diese Investitionen in Infrastruktur und Produktionsanlagen war nur die Hälfte der chinesischen Antwort. Die andere Hälfte war den Entschluss, von der Produktion einfacher Billigprodukte wegzukommen, und zu einem unabhängigen Produzenten von High-Tech Produkten zu werden. Es wurden riesige Forschungszentren gebaut, Unmengen von Know-How der gekauft oder auch gestohlen – jedenfalls nach China transferiert.

In der Konsequenz hat China nicht nur seine Konkurrenzfähigkeit auf den Weltmärkten gestärkt, sondern auch einen massiven Binnenmarkt entwickelt, der die chinesische Wirtschaft deutlich resistenter gegen internationale Krisen macht.

Investitionen und Wachstum in USA

Die USA haben in der Zeit massiv in die Entwicklung von Öl- und Gasvorkommen investiert. Das hat die Energiepreise in den Vereinigten Staaten stark reduziert, auch weil der Export von Flüssiggas aus den USA bis vor kurzem verboten war.

Massiv wurde aber auch in Big Data Anwendungen und künstliche Intelligenz investiert. Die Fähigkeiten von Big Data Anwendungen kommen nicht nur den dem Militär und den Geheimdienste zugute, sondern ermöglichen auch große Fortschritte im zivilen Bereich. Ich erinnere hier an autonome Fahrzeugen , aber auch an Logistik-Systeme, wie sie von Amazon entwickelt und implementiert wurden.


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Brutto Anlageinvestitionen USA

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Das Bruttoinlandsprodukt der USA liegt somit heute, dank der massiven Investitionen in den Energie- und den Technologie-Sektor, um etwa 3 Billionen Dollar über dem Wert von 2008. Die Automatisierung und die Anwendung künstlicher Intelligenz sind dort weltweit am weitesten fortgeschritten.

Deutschland und die Eurozone

In der folgenden Statistik des Bruttoinlandsprodukts der Eurozone wurde der Euro zum jeweiligen Wechselkurs in Dollar umgerechnet. Der übermäßig hohe Eurokurs im Jahr 2007 bewirkt also künstliche eine Beule nach oben, und der schwächere Euro der Folgejahre verringert die Werte in Dollar für diese Jahre..

Bruttoinlandsprodukt für die Eurozone (in US-Dollar)


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Brutto Anlageinvestitionen in der Eurozone (in Euro):

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Wenn man die Werte für Deutschland aus der Eurozone herausrechnet, wird  die die desolate Lage der Eurozone im Jahr 2012 sichtbar.

Deutschland

Das Bild für Deutschland sieht etwas besser aus:
Bruttoinlandsprodukt für Deutschland (in US-Dollar):

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Auch dieses Diagramm ist durch die Schwankungen des Eurokurses verzerrt. Aber dennoch: nachhaltiges Wachstum sieht anders aus.

Brutto-Anlageninvestitionen für Deutschland (in Euro):

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Es fällt auf, dass die Entwicklung von Wachstum und Investitionen zwischen  USA und China durchaus vergleichbar war, auch wenn es wichtige Unterschiede in Details und im Momentum gibt.

Die Eurozone fiel jedoch aus diesem Rahmen heraus. Besonders bitter war die Entwicklung der Eurozone ohne Deutschland.

Neue Produkte im Jahr 2008

Im Jahr 2008, also 7 Jahre nach dem 11. September 2001, gerade als die Finanzkrise kräftig zuschlug, wurden einige neue Produkte und Projekte rund um Energie-Unabhängigkeit und Big Data auf den Markt gebracht:

USA und China

  • Iphone
  • Tesla

Deutschland und Europa

  • Clean Volkswagen Diesel
  • Ostsee Pipeline

Die USA und China haben die Herausforderungen angenommenen und mit massiven Investitionen in Infrastruktur sowie Forschung und Entwicklung beantwortet. Es fallen mir dabei Namen ein wie Steve Jobs, Jeff Bezos, Elon Musk, Mark Zuckerberg und Firmen wie Paypal, Apple, Amazon, Tesla, Google, Facebook, SpaceX, Blue Origin aber auch Baidu, Alibaba, Samsung …

Deutschland und Europa haben eine defensive Position eingenommen:

Die Energieabhängigkeit vom Mittleren Osten wurde gegen die Energieabhängigkeit von Russland eingetauscht.

Man hat in Europa eine neue Pipeline gebaut und versucht, Dieselmotoren zu optimieren. Vergessen hat man indes, kraftvolle Energiespeicher zu entwickel. Diese hätten die Abhängigkeit Europas von Öl und Gas als Treibstoff für Autos brechen, und gleichzeitig für Stabilität in den Stromnetzen sorgen können.

Da es für Volkswagen – wo der öffentliche Sektor Deutschlands in Gestalt der Landesregierung von Niedersachsen eine Sperrminorität hält – zu teuer war, das damit verbundene Abgasproblem wirklich anzugehen, hat man dort stattdessen die Messwerte gefälscht.

Andere Autohersteller haben sich unter großem Aufwand Schritt für Schritt in Richtung einer wirksamen Abgasreinigung bewegt. Es blieben dann aber nur noch viel zu wenig Ressourcen und Aufmerksamkeit für die Entwicklung von wirklich innovativen Lösungen übrig.

Die Eurozone

Das Diagramm für die Eurozone als ganzes legen nahe, dass die Eurozone kein attraktiver Standort für strategische Investitionen ist. Am einem zu hohen Lohnniveau kann es nicht liegen, denn Investitionen in Automatisierung, Forschung und Big Data verlangen sowieso nach den besten und teuersten Köpfen.

Und es liegt im Wesen der Automatisierung, dass manuelle Arbeit nur noch in geringem Umfang eingesetzt wird und somit deren Kosten viel Bedeutung als  Standortfaktor verlieren.

Aber es gibt einen andere Faktoren:

  • Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur
  • Vorschriften, die manche Lösungsansätze massiv erschweren oder sogar von vorneherein verbieten
  • Risiken für die politische Stabilität
Staatliche Defizite verhindern Investitionen

Die staatliche Defizit-Begrenzung in der EU ignoriert staatliche Vermögenswerte, aber Investitionen in solche Vermögenswerte erhöhen ein vorhandenes Defizit oder verringern einen Überschus. Unter diesen Bedingungen können viele Staaten die notwendigen Investitionen in Infrastruktur nicht mehr finanzieren.

Man sollte allerdings auch nicht auf den Trick vieler Politiker hereinfallen, alle Ausgaben als Investitionen zu bezeichnen, auch wenn sie keinerlei staatliche Vermögenswerte schaffen.

Politische Hindernisse für private Investitionen

Wenn aufgrund von politischen Gegebenheiten öffentliche Investitionen in Infrastruktur nicht möglich sind, und private Investitionen in öffentliche Infrastruktur nicht erwünscht und auch nicht möglich sind, dann kann nur wenig investiert werden.

Aber Rechenzentren und Zentren für Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung entstehen nur an den Orten, an denen …

  • die notwendigen Datenleitungen und andere Infrastruktur vorhanden sind
  • die Energieversorgung gesichert und nicht überteuert ist
  • Planung für einen längeren Zeitraum möglich ist
  • und die Lebensbedingungen für hochqualifizierte Fachleute attraktiv sind

Diese Bedingungen sind in der Eurozone offenbar nur noch wenigen Orten gegeben. Diese liegen überwiegend in Deutschland.

Wurde dieser Umstand durch Schwächen und Fehler in fast allen anderen Ländern der EU verursacht? Oder ist eine konsequente Deutschland-First-Politik dafür verantwortlich? Diese Frage soll Thema will ich in einem späteren Post untersuchen.

 

Preise für Energie und Nahrungsmittel

Explodierende Preise für Energie und Nahrungsmittel, sowie eine Flut von hochriskanten Schuldtiteln, die in den Bilanzen von Banken und Versicherungen als sicher bewertet wurden. So war die Lage im Frühjahr 2008, und so ist sie auch heute. Die Schuldtitel waren damals mit überteuert gekauften Immobilien gesichert. Es stellte sich aber heraus, daß viele Besitzer dieser Immobilien im Lichte der gestiegenen Kosten ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten oder wollten.
Heute sind Staatsschulden das Problem. Trotz aller Rettungsversuche zeichnet sich eine Welle von „Umstrukturierungen“ bei Staatsschulden ab. Manche Staaten werden schlicht nicht alle Schulden bedienen können. In anderen Ländern wird es nicht möglich sein, die erforderlichen Sparmaßnahmen auf demokratischem Wege durchzusetzen.

Spekulanten sollen an allem schuld sein
Die alleinige Schuld an den Problemen wurde 2008 von vielen Politikern dem Finanzsektor zugewiesen, insbesondere bösen Spekulanten und gierigen Bankern. Als Gegenmittel wurde angepriesen, daß die Regierungen mehr Macht über Banken erhalten sollten. So sollten Spekulanten „an die Kandare“ genommen werden. Die Ergebnisse sind bekannt: Bilanzen bis unters Dach gefüllt mit Papieren zahlungsunfähiger Staaten. Diese Papiere werden immer noch zum Nennwert bilanziert. Und anschließend immer neue Milliarden an Garantienversprechen auf Kosten der Steuerzahler, weil so der Tag der Wahrheit noch etwas in die Ferne geschoben werden kann.

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Fundamentale Ursachen der steigenden Rohstoffpreise
Ich möchte Ihnen vorschlagen, die Situation einmal von einer anderen Seite her zu sehen. Wie wäre es, wenn die Explosion der Preise für Energie und Nahrungsmittel, die das Budget der Hauseigentümer sowie Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen gefährden, nicht etwa das finstere Werk bösartiger Spekulanten wäre, sondern einfach nur die Folge einer positiven Entwicklung, die mehreren hundert Millionen Menschen außerhalb der Länder, die sich für „entwickelt“ halten, nun Zugang zu hochwertiger Nahrung, Elektrizität und Mobilität ermöglicht.
Der Bedarf an Erdöl, Getreide, Tierfutter und Bio-Ethanol steigt dadurch natürlich. Da die Produktion von zusätzlicher Energie sowie von mehr und besseren Nahrungsmitteln große Investitionen erfordert, und zumindest bei Erdöl die Kosten der zusätzlich entwickelten Kapazitäten sehr hoch sind, steigen auch die Marktpreise für Benzin, Brot, Zucker, Reis, Soja, Milchprodukte und Fleisch.
Es drängt sich daher die Frage auf, warum mit all dem frischgedruckten Geld der Jahre 2008 bis 2011 nur ausgewählte Bankbilanzen und Staatshaushalte mit einem neuen Anstrich zu versehen wurden, und damit nicht etwa Staudämme, Bewässerungsanlagen und ähnliche Infrastrukturprojekte gebaut wurden, die zusätzliche Produktion von Energie und Nahrungsmitten ermöglichen könnten. Böse Zungen behaupten, dies sei deshalb nicht geschehen, weil dann die Gelder nicht in Europa geblieben wären.

2008 und 2011
Es ist jedoch seit 2008 nicht alles beim alten geblieben. Die Mächtigen aller Länder sind sich der Brisanz des Problems heute sehr viel bewusster als dies noch vor drei Jahren der Fall war. Das zeigt sich daran, daß heute niemand mehr auf die Idee kommt, die Krise künstlich zuzuspitzen. 2008 geschah das noch durch den Georgien-Krieg, der die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Blockade der Öl- und Gasexporte aus dem kaspischen Raum in sich trug. Dennoch sind die Rohstoffmärkte heute angespannter als vor drei Jahren.
Auch die politischen Folgen der explodierenden Nahrungsmittelpreise sind heute weitreichender als die Hungeraufstände 2008. Es zeichnet sich ein Zusammenbruch der staatlichen Strukturen ab, die nach der Zerschlagung des osmanischen Reiches von den europäischen Mächten in der arabischen Welt installiert worden waren. Und auch in einigen europäischen Ländern beobachten wir gewaltsame Unruhen.

Nahrungsmittel-Energie Preisspirale
Der wiederholte parallele Anstieg der Weltmarktpreise für Energie und Nahrungsmittel ist nicht zufällig. Vielmehr ergibt sich folgendes Bild: Nahrungsmittel steigen, weil der Wohlstand weltweit breiter verteilt wird. Mehr Menschen gute Ernährung und insbesondere auch mehr Fleischmahlzeiten erlauben können. Gleichzeitig steigt auch der Energieverbrauch für Autos, Klimaanlagen, Internet und Waschmaschinen. Das treibt die Energie-Preise. Verschärft wird die Verknappung von Energie in 2011 durch die Tatsachen, dass nach dem Tsunami in Japan sowohl in Deutschland als auch in Japan viele nuklearen Kraftwerke keinen Strom mehr produzieren, und in vielen anderen Ländern ein bisher geplanter Ausbau der Stromerzeugung durch Kernenergie fraglich geworden ist.

Wichtiger ist jedoch die Rückkopplungen zwischen den Preisen für Energie und Nahrungsmittel:

  1. Sobald die Preise für Energie eine gewisse Schwelle erreichen, lohnt sich die Energieerzeugung aus Agrarprodukten. Da aber eine Ausdehnung der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen teuer ist und auch viel Zeit in Anspruch nimmt, reduziert sich das Angebot an Nahrungsmitteln bei steigenden Energiepreisen. Dieser Effekt wird nachhaltig, weil die Investitionen in zusätzliche landwirtschaftliche Kapazitäten plötzlich unrentabel werden, wenn insbesondere die EU-Länder, also zum Beispiel Deutschland, in unregelmäßigen Abständen Produkte aus subventionierter landwirtschaftlicher Überproduktion zu Dumpingpreisen über den Weltmarkt ausschütten und damit jederzeit die Rentabilität teurer zusätzlicher landwirtschaftlicher Flächen bedrohen.
  2. Da viele, und vor allem auch einflussreiche Länder, die Erdöl produzieren, in großem Umfang auf Nahrungsmittel-Importe angewiesen sind, ist der Anreiz für diese Länder groß, die Ölförderung zu reduzieren, um mit dem durch höhere Preise eingenommenen Geld die Verbraucherpreise für Energie und Nahrungsmittel in ihrem Land zu subventionieren und so ihr politisches Überleben zu sichern.
  3. Die daraus resultierenden erneut steigenden Energiepreise verstärken wiederum den Anreiz, Agrarflächen aus der Nahrungsmittel-Produktion abzuziehen und zur Energie-Erzeugung zu verwenden.

Schlussfolgerung
Um die Preisspirale zwischen Energie und Nahrungsmitteln zu durchbrechen, und um den Anspruch möglichst vieler Menschen auf hochwertige Ernährung zu befriedigen, sind weltweit massive Investitionen notwendig. Natürlich werden diese Investitionen dort geschehen, wo die Voraussetzungen für Landwirtschaft optimal sind, also nicht unbedingt in Zentraleuropa. Das wird zu einer weiteren Verschiebung von Macht und relativem Reichtum weg von Europa führen. Dies ist jedoch unausweichlich.

Die Finanzkrise ist tot. Es lebe die Krise der Politik!

Peer Steinbrück schreibt in seinem neuen Buch sinngemäß: „Die Banken mussten sich das Vertrauen, das sie untereinander nicht mehr hatten, beim Staat leihen.“ Es zeigt sich aber immer mehr, daß auch der Staat kein Vertrauen mehr zu verleihen hat. Es gibt nur noch ein paar Abziehbildchen von dem, was einmal Vertrauen war.

Trauer um Vertrauen
Die Demonstranten in Stuttgart schreien: „Lügner, Lügner!“ Und es stimmt, sie werden belogen. Aber sie werden wieder einmal von denen belogen, denen sie glauben. Propagandisten sagen ihnen, daß es schlecht für sie wäre, wenn die riesigen Bahnflächen im Stadtgebiet Stuttgarts als Flächen für Wohnungen, Parks, Freizeitanlagen und Arbeitsplätze genutzt werden könnten. Und die Demonstranten laufen Sturm gegen diese neuen Möglichkeiten, die ihnen angeboten werden.
Wie können, zugegebenermaßen gewiefte, PR-Strategen Menschen-Massen dazu bewegen, einer Landesregierung „Lügner!“ entgegen zu schleudern, wenn sie jedenfalls dieses eine Mal etwas tut, was für jedermann und jede Frau und jedes Kind sichtbar die Lebensqualität der Menschen in der Stadt und ihrer Umgebung dramatisch verbessern kann?

Die Fassade ist zu klein geraten
Der Grund ist: Der Staat hat seinen Kredit verspielt. Die Leute wissen, daß Ihnen über die Finanzkrise nicht die Wahrheit gesagt wurde. Sie verstehen zwar nicht, was passiert ist. Aber sie verstehen, daß es jedenfalls nicht so war, wie ihnen gesagt wird.

  • Es wird über die bösen Banker geschimpft, und ihnen alle Schuld zugewiesen. Aber Tatsache ist, daß der einzige Bankenvorstand, der bisher wegen Bilanzbetrugs verurteilt wurde, Chef einer Bank – der IKB – war, die vor der Krise im Eigentum des Bundes war. Es ist auch eine Tatsache, daß dieser Bilanzbetrug nicht etwa von der Bankenaufsicht entdeckt und beendet wurde. Vielmehr musste der Chef einer privaten Bank die Bankenaufsicht zum Einschreiten zwingen.
  • Personen, die öffentlich bemängelt haben, daß die Hypo-Real Estate Bank, auch nach Ihrer Übernahme durch den Bund, im Vergleich zu anderen Banken erstaunlich wenige Immobilienkredite im Wert an die neuen Marktverhältnisse angepasst hat, wurden des Geheimnisverrats bezichtigt.
  • Staatsanleihen von Ländern, die nach Auskunft ziemlich einfacher Rechenregeln mit einiger Wahrscheinlichkeit ihre Schulden nicht vertragsgemäß zurückzahlen können, können (und müssen) in Bilanzen von Banken und Versicherungen als risikolos bewertet werden.

Schein und Sein sollten eine Schnittmenge haben
Das sind nur drei Beispiele. Es gibt noch mehr. Aber die Essenz ist: Das internationale und das europäische Finanzsystem in seiner jetzigen Form ist nur noch eine Fassade. Hinter verschlossenen Türen wird nach Lösungen gesucht. Den Leuten auf der Straße wird jedoch gesagt, alles sei im grünen Bereich. In Wahrheit ist vieles im Eimer. Die Altersvorsorge der meisten Menschen beruht nur noch auf imaginären Werten. Der Staat verspricht allen möglichen Institutionen unvorstellbare Geld-Summen, nur um die Fassade aufrecht zu erhalten. Und die großen Staaten, die unter dem Schock des Jahres 2008 noch zusammen gearbeitet hatten, spielen jetzt gegeneinander.

Neue Verführungskünstler stehen bereit
Das Missverhältnis zwischen dem, was den Menschen über die eigene Zukunft gesagt wird, und der Beobachtung, wie sich der Eimer immer mehr füllt, schafft Angst. Und diese Angst schafft unglaubliche Chancen für allerlei Verführungskünstler. Zwei aktuelle Beispiele:

  • Die erwähnten Obenbleiber, die den Menschen in Stuttgart von Frischluftschneisen über Bahnanlagen vorschwärmen, und warnen, daß ihre Häuser an Wert verlieren, sobald in der weiteren Umgebung ein Tunnel gegraben wird.
  • Saraziner, die bemerken, daß sie in ihrer Institution nicht mehr Chef werden können und dann
    • in Büchern Banalitäten mit Dummheiten verrühren,
    • auf diese Weise ihre vertraglichen Verpflichtungen abschütteln,
    • dabei viel Geld verdienen sowie ihren Werbewert und politischen Einfluss steigern.

Mit solchen Methoden kann man sich politische Plattformen schaffen, um den jeweiligen persönlichen Machthunger vielleicht doch noch zu stillen.

Diese Saraziner und Obenbleiber können es schaffen, die Macht zu ergreifen und Deutschland sowie Europa zu dominieren. Und niemand sollte glauben, daß sie weniger machtgierig wären als die heute Mächtigen. Sie haben bereits gezeigt, daß sie in der Wahl ihrer Mittel nicht zimperlich sind.

Die wirklichen Probleme angehen
Eine offene Diskussion über die Veränderungen der Machtverteilung in der Welt könnte noch etwas Positives bewirken. Es wird mittlerweile offensichtlich, daß die Europäer nicht mehr die Mittel haben, sich einfach alle Ressourcen der Welt, die sie haben möchten, zu nehmen. Das Problem der „sozialen Gerechtigkeit“ in Europa wird schon in wenigen Jahren nicht mehr auf dem Rücken der Menschen in Asien, Afrika und Südamerika lösbar sein.

Die Rolle des Staates
So wird es notwendig, die Rolle des Staates und die Verantwortung jedes Einzelnen für sein Leben neu abzugrenzen. Ich weiß, daß eine solche Debatte unbequem ist. So konnte leider auch nur ein nicht gewählter Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten darauf hinweisen, daß Transferleistungen für deren Empfänger auf Dauer zur Fessel werden und ihnen sowohl Lebensqualität als auch Selbstwertgefühl in eine wahre Ruine verwandeln können.

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Kopenhagen und die neue chinesische Macht

Treibhausgase und mehr
Bei der Klimakonferenz in Kopenhagen ging es vordergründig um Treibhausgase und das Klima auf der Erde. In dieser Hinsicht war das Ergebnis mager und nichtssagend. Dennoch wird die Konferenz in die Geschichtsbücher eingehen. Warum?

China agiert als dominierende Supermacht

In Kopenhagen hat sich China als neue Supermacht etabliert. Insbesondere Politiker der EU haben vor Wut geschnaubt, konnten aber nichts dagegen setzen.

Keine Kontrolle der chinesischen Wirtschaft von aussen
Im Detail hat sich China geweigert, wem auch immer auf der Erde ein Recht zuzugestehen, einen eigenen Blick ins Innere der chinesischen Wirtschaft zu werfen – im konkreten Fall auf seine CO2-Emissionen.
Heißt das nun, daß China versuchen will, heimlich Kohle oder Erdöl zu verbrennen? Ich glaube nicht, denn die Chinesen haben das nicht nötig. Niemand kann sie daran hindern, weder mit militärischen noch mit ökonomischen Mitteln.

Beginn bei der Frankfurter Buchmesse
Warum dann dieses harte Nein? Die Chinesen haben hier einen Pflock eingeschlagen. Begonnen damit haben sie bei der Frankfurter Buchmesse, wo sie schon klargemacht haben, daß sie selbst bestimmen, worüber sie mit den Europäern reden, und wo sie es den Europäern überlassen, folgenlos über etwas zu schwätzen. Damals ging es um Menschenrechte, Meinungsfreiheit etc. deren plakative Deklamation China den Deutschen überlässt. In diesem Punkt war es einfach für die Chinesen, zu wissen, daß sie nichts zu befürchten haben, denn sie wissen, woher die Zensurtechnologie in Iran kommt, und sie sind sich auch der Bedeutung des Zensursula-Projektes der ersten Regierung Merkel bewusst.

Keine Kontrolle bei Klimagasen
Der nächste Schritt war die Mitteilung der Chinesen, daß sie selbst bestimmen, welche Informationen über ihre Wirtschaftsleistung sie anderen zugänglich machen. Damit hat sich ein weltweites System zum Handel mit Luftverschmutzungsrechten erübrigt.

Keine Kontrolle von Finanzdaten
Aber die Bedeutung geht weiter: Merkels Traum von einer weltweiten Steuer auf Finanztransaktionen ist damit auch ausgeträumt. Denn eine solche Steuer würde voraussetzen, daß die Chinesen Merkel und ihres gleichen detaillierten Einblick in die chinesische Finanzwirtschaft geben. Das muss für China völlig inakzeptabel sein, da es seinen Bestrebungen widerspricht, das Maximum für seine vielen Dollars von zweifelhaftem Wert zu bekommen. Diese Anfrage Merkals hat sich somit erledigt, bevor sie explizit an China harangetragen wurde.

Basis der chinesischen Macht
Es fragt sich nun: Warum konnten Merkel und ihre EU-Kollegen den Chinesen nicht einmal ein müdes Lächeln abringen? Woher kommt die chinesische Macht?

Nicht Gewehrläufe, sondern Computermaus
Und es stellt sich heraus, die chinesische Macht kommt zumindes in der jetzigen Situation nicht aus den Gewehrläufen. Militärisch kann China im Moment weder Europa noch USA bedrohen.
Aber die Chinesen könnten, wenn sie es für richtig halten, mit ein paar wenigen Mausklicks, oder sogar durch das Unterlassen einiger wenigen Mausklicks sowohl Europa als auch USA in ein Chaos stürzen. Sie müssten nur aufzuhören US-Staatsanleihen zu kaufen, oder einen Bruchteil von den Anleihen, die sie bereits gekauft haben, auf den Markt werfen. Innwehalb weniger Tage wäre das westliche Finanzsystem komplett zusammengebrochen. Es würde nicht mal mehr helfen, wenn die Notenbanken Anleihen ihrer Regierungen mit frisch gedrucktem Geld kauften, und die Regierungen per Gesetz das Wort Staatsbankrott verbieten würden.

Den Rest erledigt dann Europa selbst

Die Folgen, mit denen zumindest die deutsche Regierung für einen solchen Fall rechnet, sind innere Unruhen, Massenverhaftungen, eventuell Pogrome gegen Ausländer. Kurz gesagt, die Chinesen haben es nicht nötig, Europäern oder Amerikanern Gewalt anzudrohen. Es genügte schon, keine amerikanischen Staatsanleihen mehr zu kaufen, was ihr perfektes Recht wäre, und schon würden Europäer und möglicherweise auch Amerikaner ganz von alleine Gewalt gegen sich selbst anwenden.

Chinesen agieren immer noch vorsichtig
Die Chinesen sind sich dieser Machtposition bewusst, und sie haben diese in Kopenhagen zum ersten Male, wenn auch nur andeutungsweise, ausgespielt. Kein Wunder, daß Merkel wütend (und hilflos) war.
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Dubai World ist nicht Lehman

Die Entscheidung von Dubai World, seine Kredite nicht zum vereinbarten Zeitpunkt zurückzuzahlen, folgte nach aller Logik nach der Weigerung der involvierten Banken und Staaten, die fälligen Bonds geräuschlos zu verlängern.
In meinen Augen ist dies jedoch nicht Ausdruck der Finanzkrise selbst. Die Geldgeber hätten die Kredite verlängern können, wenn sie dies für richtig gehalten hätten. Im Gegensatz dazu gab es bei Lehman niemand, der in der Lage gewesen wäre, der Bank so viel Geld zu leihen, wie diese brauchte. Es war noch zum Zeitpunkt des Zusammenbruchs nicht einmal abschätzbar, wie viel Geld Lehmann überhaupt gebraucht hätte. Bei Dubai World geht es in erster Linie darum, daß das Projekt Dubai in Frage gestellt wird.

  1. Ist es wirklich sinnvoll, in eine Umgebung mit 40 Grad Celsius Wintersport anzubieten?
  2. Kann man davon ausgehen, daß Touristen aus Europa bei wachsender Arbeitslosigkeit und mittelfristig steigenden Steuern dafür noch Geld ausgeben wollen und können?
  3. Muss ein Finanzzentrum in der Wüste liegen, wo man alles Wasser durch Entsalzung aus dem Meer gewinnen muss, und Unmengen von Energie zur Klimatisierung von Büros und Rechenzentren braucht?

Solche Fragen bewirken eine Struktur-Anpassung. Der Rückzug der US-Armee aus dem Irak, und tendenziell aus dem Mittleren Osten, nimmt der Mischung aus Finanzplatz und Urlaubsziel eine weitere Rechtfertigung. Das Projekt wird nicht mehr als Tummelplatz aller möglichen Geheimdienste und als unverfänglicher Rahmen für sensible Kontakte gebraucht.

Es ist also logisch, daß über die Zukunft Dubais neu nachgedacht wird. Dies ist Teil der Strukturanpassungen in der Weltwirtschaft, von denen wir in den nächsten Jahren noch mehr sehen werden. Man wird abwarten müssen, was mit ähnlichen, wenn auch kleineren und nicht so aufwendigen Projekten zum Beispiel in Ägypten geschieht.
Für die Reisebranche in Deutschland stellt sich die Frage ähnlich: Ist der von der GFK ausgegebene Slogan „Edaka statt Ibiza“ von Dauer? Werden die Deutschen in Zukunft weniger oder anders reisen? Oder ist dieses Verhalten kurzfristig, und vor allem von den Megaphonen bestimmt, die allerorten „Schweinegrippe“ brüllen ? Im nächsten Sommer werden wir das genauer wissen.