Euro 2013

Es scheint so zu sein, dass die Berliner Regierung zu dem Schluss gekommen ist, den Euro als Gemeinschaftswährung nicht zu sprengen. Ein Indiz dafür ist, dass sie den Jahreswechsel 2012/13 hat verstreichen lassen, obwohl der Feiertagskalender zu einem 10-tägigen Bankfeiertag geradezu eingeladen hat.

Die Entscheidung ist im Umfeld des EU-Gipfels kurz vor Weihnachten gefallen, und hat sich darin ausgedrückt, dass der deutsche Finanzminister nun endlich zugestimmt hat, die seit Juni versprochene Rate der Kredite an Griechenland auch tatsächlich auszuzahlen. Wichtig ist, daß diese Entscheidung vor Beginn des Treffens der Chefs bekannt veröffentlicht worden war. Damit war klar, dass Merkel nun den Versuch aufgegeben hatte, Griechenland als Geisel zu nehmen, um so ihr gefällige Institutionelle Veränderungen in der EU durchzusetzen.

Die Griechen können sich dafür herzlich bei David Cameron bedanken, obwohl Großbritannien nicht der Eurogruppen angehört. Cameron hat nämlich klargemacht, dass eine erneute Revision der EU-Verträge keinesfalls eine Einbahnstraße in Richtung weiterer Zentralisierung von Macht in Brüssel geworden wäre. Und das ist auch gut so, denn gerade die letzen beiden Jahre haben sehr klar gemacht, wie die Neo-Preußische Machtzentrale in der Nähe des Berliner Hauptbahnhofes bereit ist, die Interessen schwacher Mitglieder der EU mit Füssen zu treten um eigene Partikularinteressen durchzusetzen.

Ein Beispiel ist der beispiellose Umgang mit Griechenland, der dieses Land für volle 6 Monate in das Niemandsland eines wahrscheinlichen Staatsbankrotts mit möglichem Austritt aus der Eurozone und EU verbannt hat. Unter solchen Bedingungen gibt es keine Strukturreform, keine Verbesserung des Steuersystems und auch sonst nichts, was einen wirtschaftlichen Schrumpfungsprozess aufhalten könnte. Aber Berlin hat dadurch Milliarden Euros von Geldanlegern in Europa in Form gesparter Zinsen geschenkt bekommen. Das niedrigen Zinsniveau hat aber auch Firmen wie Volkswagen, Lufthansa, DHL und T-Com einen unfairen Wettbewerbsvorteil gegenüber Ihren Konkurrenten wie Fiat, Peugeot und Air France verschafft.

Wie massiv der Einfluss der Politik auf europäischer Ebene auf die Finanzierungsbedingungen einzelner geschwächter Staaten ist, kann man gut an der Entwicklung der Zinsen italienischer Staatsanleihen sehen. Am 26. Juli 2012 war die Rendite 10-jähriger italienischer Staatsanleihen 6,60%, am 3. Januar 2013 4,23%. In der Zwischenzeit war der italienische Ministerpräsident Monti zurückgetreten und Neuwahlen in Italien wurden anberaumt, die eine Fortführung des Sparkurses a la Merkel zumindest fraglich erscheinen lassen. Man sollte also annehmen, dass dies zu höheren, nicht zu niedrigeren Zinsen führt.

Man kann getrost davon ausgehen, dass nur ein kleiner Teil des niedrigen Zinssatzes darauf zurückgeführt werden kann, dass am Beispiel Griechenlands klar geworden war: Auch sparen kann zu steigenden Defiziten führen. Der größere Teil des Zinsrückganges spiegelt das Versprechen der EZB, einen Zerfall der Eurozone nicht zuzulassen.

Im kommenden Jahr werden wir nun einen Kampf um die europäischen Institutionen erleben. Berlins Regierung fordert ein Vetorecht im EZB-Rat und dass die Detail-Informationen über die Bilanzen und Risiken seiner staatsnahen Banken in Deutschland verbleiben sollten. Banken außerhalb der Eurozone sollen sich hingegen der Aufsicht der Eurozone unterwerfen. Selbstverständlich möchten sich Merkel und Freunde jedoch weiterhin die Möglichkeit offenhalten, über den ESM Hilfsmaßnahmen für geschwächte Staaten und Banken blockieren zu können, um dann das Momentum dafür zu nutzen, an anderen Baustellen eigene Interessen durchzusetzen. Die EU-Kommission und auch das europäische Parlament wollen sich wieder den Einfluß sichern, der ihnen nach den gültigen EU-Verträgen zusteht.

Kleinere Staaten und auch Großbritannien wollen sich vor Diktaten aus Brüssel schützen, insbesondere auch weil diese Diktate in der Praxis nicht von den europäischen Institutionen stammen. Diese würden ja auch kleinen Mitgliedsstaaten ein Mitspracherecht einräumen. Die Diktate kommen aber, wie bei der Saga um den Fiskalpakt, oft auf aus Berlin und teilweise aus Paris. Ein vermeintliches Diktat aus Brüssel ist dann in Wirklichkeit nur das Vorlesen eines in der Willy-Brand-Straße 1 erstellten Textes.

Die Briten Iren, Tschechen, Polen, Schweden, Griechen … haben jeden Grund, sich vor solchen Verfahren zu schützen. Der richtige Weg dafür ist einerseits, die europäischen Institutionen zu stärken, andererseitz aber auch klare Grenzen der Macht für EU-Ministerrat, EU-Kommission und EU-Parlament zu setzen. Wenn ein solches Ergebnis gefunden werden würde, das den informellen Einfluss auf die europäischen Institutionen begrenzt, und gleichzeitig klar definiert, wo die Kompetenzen dieser Institutionen enden, dann werdem dem sicher auch die Briten zustimmen können. Wenn die EU jedoch zu einem Gebilde verkommen sollte, das in erster Linie Vorgaben aus dem Willy-Brand-Platz 1 in Berlin umsetzt, dann wäre dieses Europa kein Friedensprojekt mehr, mit allen Konsequenzen für seine Legitimität.

10-jährige Bundesanleihen
10-jährige italienische Anleihen
10-jährige spanische Anleihen

Schuldenkrise in Griechenland – ein Dilemma der EU

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Die Schuldenkrise in Griechenland stellt die Europäische Union und Mitglieder der Euro-Zone vor ein großes Dilemma. Drei Ziele müssen gleichzeitig erfüllt werden:

  1. Die Europäische Union kann nicht zulassen, dass in Europa ein Gebiet entsteht, in dem es keine effektive staatliche Kontrolle mehr gibt. Wer wollte sonst verhindern, dass auf Kreta eine neue Bastion des Bankgeheimnisses entsteht.
  2. Der Maastrichter Vertrag schießt ausdrücklich die Möglichkeit aus, dass eine Finanzkrise eines Euro-Landes durch Zuwendungen oder Garantien der EU gelöst werden kann.
  3. Eine dauerhafte Lösung des Problems wird gebraucht.
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Wenn man die Schuldenkrise in Griechenland einfach ihren Gang nehmen lassen würde, entstünde in der Ägäis ein Gebiet mit einem Staat ohne Macht. Der griechische Staat könnte seine Armee und seine Polizei nicht mehr bezahlen. In früheren Jahrhunderten wäre ein solcher Staat einfach von einem neuen Herrscher übernommen worden. Je nach geopolitischen Gegebenheiten war das früher für Griechenland entweder die Türkei oder Italien, oder beide je zum Teil. Nach modernem Völkerrecht ist dies jedoch nicht möglich.

Für die meisten Regierungen in Europa ist die Versuchung groß, zur Lösung der Schuldenkrise in Griechenland den Vertrag von Maastricht auszuhebeln, und das Problem mit Krediten und Garantien zu lösen. Als Ausgleich würde von Griechenland eine Aufgabe seiner Souveränität verlangt und eine Art Zwangsverwaltung von Brüssel aus eingeführt. Das wäre natürlich ein gefundenes Fressen für alle, die einen europäischen Superstaat anstreben. Gleichzeitig würde die Beschränkung des Staatsdefizits auf 3 Prozent des Bruttoinland-Produktes aufgehoben. Dieses ist jedoch eine der wenigen verbliebenen Schranken, die uns vor den Fantasien der Machthaber in Berlin und anderswo von staatlicher Allmacht bewahren.
Glücklicherweise wäre ein solches Konzept in Griechenland nicht durchsetzbar, und würde auch in Deutschland dazu führen, dass die verantwortlichen politischen Parteien für lange Zeit jede Aussicht auf Erfolg bei Wahlen verlören. Es wäre eine große Herausforderung, den Wählern in Deutschland zu erklären, warum sie mit ihrem Steuergeld dafür bezahlen sollten, dass Griechen mit 61 Jahren in den Ruhestand treten, während sie mit 66 Jahren noch arbeiten müssen.

Ökonomische Gegebenheiten und die unterschiedlichen Einstellungen zum Leben in Zentraleuropa und auf griechischen Inseln werden immer wieder Spannungen aufbauen, die ohne die Möglichkeit zur Anpassung von Wechselkursen alle paar Jahre eine neue Schuldenkrise hervorbringen werden. Eine massive Infrastruktur, wie sie im nördlichen Europa vorhanden ist, braucht Griechenland nicht. Hier sind Schiffe und Häfen, zusammen mit kleinen Flughäfen wichtiger als Autobahnen und ICEs. Ein integriertes Stromnetz in der ganzen Ägäis macht so viel Sinn wie ein Eisenbahntunnel von Athen nach Heraklion.
Dafür gibt es aber ein freundlicheres Klima, weniger Winterstürme und eine längere Vegetationsperiode. Das Meer sorgt über das ganze Jahr für frische und gesunde Nahrung.

Insgesamt ergeben sich zwei Möglichkeiten, mit der Schuldenkrise in Griechenland umzugehen: Mit genügend politischem Willen wird man eine Lösung finden, die dem griechischen Staat die Möglichkeit zurück gibt, eine an griechischen Gegebenheiten orientierten Wirtschaftspolitik zu betreiben. Dieser Staat wäre zwar vielleicht etwas schwächer, hätte aber wieder eine eigene Währung. Den Weg dorthin könnten Hilfen der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds erleichtern.

Sollte es nicht möglich sein, den notwendigen politischen Willen aufzubringen, wird es einen Versuch geben, das Problem auf die lange Bank zu schieben. Es müsste dann regelmäßig Finanzhilfen an Griechenland geben, und die Schuldenkrise in Griechenland würde regelmäßig wiederkehren. Die Europäische Union würde insgesamt vor sich hin siechen. Aus diesem Grunde kann man die Wetten der Finanzmärkte gegen griechische Staatsschulden auch so verstehen, dass Banken und Hedge-Fonds den Mitgliedern und Institutionen der EU zutrauen, notwendige Entscheidungen zu treffen.
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