Das Endspiel um Griechenland

Wir nähern uns jetzt mit schnellen Schritten einem Punkt der Entscheidung über die Eurozone. Der Katalysator für diese Entwicklung ist Griechenland. Die Energie für die mögliche Explosion kommt aber aus Deutschland, Italien und Spanien. Ich will hier aber keine esoterische Analyse erstellen, sondern ein praktisch mögliches Szenario für die kommenden Wochen durchspielen.

Der griechische Staat wird in sich zusammenfallen
In meinen Augen ist der Zusammenbruch Griechenlands und anschließend sein Ausscheiden aus der Eurozone nur noch eine Frage des Wann und des Wie, nicht mehr des Ob.

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Ein Szenario für das wie:
Die Abfolge der Schritte könnte etwas variieren. Aber im Groben sehe ich folgenden Ablauf:

  • Viele Griechen räumen bereits jetzt ihre Bankkonten leer und verbringen das Geld entweder ins Ausland oder verwahren es selbst an einem sicher geglaubten Ort.
  • Schon jetzt verschieben viele Griechen ihre Steuerzahlungen, da sie vom jetzigen Staat nichts mehr erwarten und darauf spekulieren, dass eventuelle alte Forderungen letztlich auf eine neue Währung umgestellt werden
  • Unabhängig vom Ausgang der Neuwahlen am 17 Juni kann keine griechische Regierung die vereinbarten Haushaltsziele mehr erreichen. Selbst wenn ND stärkste Partei würde, könnte diese wahrscheinlich keine stabile Regierung bilden und schon gar nicht den Staatsapparat Griechenlands zwingen, sich zur Hälfte selbst abzuschaffen.
  • ESFS und IWF stellen ihre Hilfszahlungen an Griechenland ein, weil Griechenland die vereinbarten Bedingungen nicht mehr erfüllt.
  • Die griechische Regierung stellt Zahlungen von Renten und Gehälter auf selbstgedrucktes Notgeld um, da sie nicht mehr über werthaltiges Geld verfügen kann.
  • Zeitgleich bricht das Gesundheitssystem zusammen, weil Medikamente nicht mehr bezahlt werden und somit auch nicht mehr geliefert wird. Möglicherweise bricht auch die Stromversorgung zusammen, weil die staatliche Elektrizitätsgesellschaft ihre Rechnungen für Primärenergie nicht mit selbstgedrucktem Geld der Regierung bezahlen kann.
  • Besetzung von öffentlichen Einrichtungen, Aufruhr, Streik. Flüchtlingsströme.
  • EU setzt Schengen-Abkommen aus, schließt die Grenzen nach Griechenland und führt Visapflicht für Griechen ein.
  • Militärputsch in Griechenland.
  • EU-Mitgliedschaft Griechenlands wird wegen Menschenrechtsverletzungen suspendiert.

Das Zeitfenster
Zu dem Zeitpunkt der wahrscheinlich unvermeidlichen Eskalation wird letztlich durch die EU entschieden. Es ist nämlich der Zeitpunkt, an dem kein Geld mehr von der EU nach Griechenland fließt. Wann das ein wird, ist noch nicht vollends klar. Es gibt jedoch einige Anhaltspunkte:
Deutschland und Frankreich werden auf jeden Fall vermeiden wollen, daß sich die Situation in Griechenland während der Sommerferien zuspitzt. Sie werden militärische Operationen vermeiden wollen, mit denen sie eventuell gestrandete oder auch in Geiselhaft genommene Touristen zurückholen müssten.
Andererseits wäre es wahrscheinlich nur schwer und durch eine weitere große Hilfszahlung möglich, die Zuspitzung bis in den Herbst hinein aufzuschieben.
Aber es wird auch niemand eine Zuspitzung vor dem Ende der französischen Parlamentswahlen planen, da sonst eine Blockademehrheit von Rechts- und Linksradikalen im französischen Parlament in den Bereich des Möglichen rücken würde.

Vielleicht sogar noch schneller
Damit würde sich ein Zeitfenster im letzten Drittel des Monats Juni für eine Zuspitzung in Griechenland ergeben. Doch die Tatsache, dass dies alles schon so berechenbar geworden ist, kann den Kollaps des griechischen Finanzsystems und des griechischen Staates noch erheblich beschleunigen.

Neue Phase der Wirtschaftskrise

Die Wirtschaftskrise hat eine neue Phase erreicht:
Die Milliardenversluste der Banken waren bisher mit keinem aktuellen negativen Cashflow verbunden. Vielmehr handelte es sich darum, anzuerkennen, daß vergossene Milch vergossen war. Dadurch konnte die Regierung auch leicht verschiedenen Banken 10 oder auch 80 Milliarden Euro geben, die sie nicht hatte. Es ging in Wirklichkeit darum, die Bilanzen zu verschönern.
Beispiel: Die Regierung gibt einer Bank sagen wir 10 Milliarden Euro Eigenkapitalhilfe. Die Bank benutzt das Geld sofort, um damit Bundesanleihen zu kaufen. Unter dem Strich ist aber kein geld geflossen, denn die Bank hat jetzt 10 Milliarden Euro Eigenkapital zusätzlich, angelegt in angeblich risikolosen Bundesanleihen. Diese können voll auf die vorgeschriebene Sicherheitsreserve der Banken in Höhe von mindestens 4% der Bilanzsumme angerechnet werden. Die Bankenaufsicht nimmts erfreut zur Kenntniss.

Das ist, was war. Aber jetzt kommt eine neue Welt. Ein Industriebetrieb wie Opel oder ein Handelsbetrieb wie Arcandor macht Verluste. Das sind dann jeden Tag Millionen von Euro, die tatsächlich den besitzer wechseln, und für die eine Kreditlinie in Anspruch genommen wird. Für die Bank bedeutet das: Geld aus der sichersten Anlageform, nämlich Cash, wird in einen riskanten Kredit für ein Unternehmen mit fragwürdiger Zukunft verwandelt. Dieses Geld steht somit nicht mehr für die Risiko-Reserve zur Verfügung, und gleichzeitig ist die Bank einem höheren Risiko ausgesetzt.

Wenn nun viele Frimen gleichzeitig auf ihnen vertraglich zugesicherten Kreditlinien zurückgreifen, kann es passieren, daß die Sicherheits-Reserve einer Bank wie ein Stück Eis in der Tropensonne wegschmilzt, obwohl die Bank in diesem Moment genau genommen keinen Verlust macht. Im Extremfall entsteht massiver Abfluß aus der Sicherheitseserve der Bank. Dieser fällt im Rahmen des täglichen Zahlungsverkehrs an. Es besteht dann der große Anreiz, daß Banken den Zahlungsverker verlangsamen. Eine Überweisung dauert dann wieder 7 Tage, anstatt der bisher üblichen zwei Tagen. In der Zwischenzeit sichert sich die eine oder andere Bank den notwendigen Level ihrer Sicherheits-Reserve mit dem Geld, das überwiesen werden soll.
Damit wird auch wird das notwendige Vertrauen erschüttert. Was passiert, wenn ein Kunde mit einer Überweisung eine Rechnung bezahlt hat, das Geld aber nicht angekommen, weil eine Bank, die das Geld einen Tag zwischengelagert hat, just an jenem Tag von der Bankenaufsicht geschlossen wird? Und wie verhält sich eine Bank, die solches von ihrer Partnerbank befürchtet?

Bankaufseher setzen WestLB-Eigner unter Druck (bei Handelsblatt.com am 09.06.2009 veröffentlicht)