Merkel als Gatekeeperin für russisches Erdgas

Dieser Artikel erlaubt sich einen Blick auf die Auseinandersetzung um die Ukraine, der sich einmal von den täglichen Schreckensmeldungen loslöst und die Frage stellt, wem dieser Krieg eigentlich Vorteile bringt, und wie sich die Machtpositionen in Europa durch diesen Krieg bereits verändert haben und wahrscheinlich noch weiter verändern werden.
Wir kommen zu dem Schluss, dass es sich um einen Kampf um die Herrschaft über die europäische Energieversorgung handelt.

Wenn man einmal all die aktuellen Aufreger zur Seite legt, sieht man dass es in diesem Frühjahr, also bis zu den massiven Angriffen mit schweren Waffen, mit Artillerie und auch ballistischen Raketen auf Städte in der Ostukraine durchaus Lösungsmöglichkeiten für die Verfassungskrise in der Ukraine gegeben hätte, wenn es denn gewollt gewesen wäre.

Mögliche, aber nicht gewollte Lösung:

Das hätte etwa so aussehen können:

  1. Eine Art Bundesländer, ähnlich wie in Deutschland, die über Schulpolitik und Kulturpolitik bestimmen, und die auch für den Polizeiapparat und innere Sicherheit zuständig sind
  2. Eine nationale Regierung die für Außenpolitik, das Militär und für soziale Sicherungssysteme zuständig wäre
  3. Ein absolutes Verbot, das Militär nach innen einzusetzen
  4. Eine Verankerung der außenpolitischen Neutralität des Landes in der Verfassung und eine Regelung, die den Beitritt zu internationalen Organisationen von der Zustimmung eines jeden einzelnen Bundeslandes abhängig macht
  5. Eine Regelung, ähnlich wie in der US-Verfassung, die eine Zustimmung jeden einzelnen Bundeslandes vor einer Verfassungsänderung verlangt.

Eine solche Verfassung wäre sicherlich nicht von vorneherein undemokratisch gewesen. Also kann es daran schon einmal nicht gelegen sein, dass nur noch ein alles übertönendes Geschrei zu hören war, sobald das Wort „Föderalisierung“ fiel.

Die Alternative:

Die Alternative zu einer solchen Lösung, die für mindestens eine Seite des Konfliktes attraktiver war, sieht so aus:

  1. Schüsse auf Demonstranten in Kiew und anschließend Sturm auf den Präsidentenpalast durch bewaffnete Demonstranten in Kiew
  2. Bedrohung und Einschüchterung von Mitgliedern des ukrainischen Parlamentes
  3. Übernahme von Teilen der Gebiete Lugansk und Donezk durch prorussische Milizen
  4. Übernahme des Gebietes Dnipropetrowsk mit ihrer für den Flugzeugbau essentiellen Titan-Industrie durch Privatarmeen eines Oligarchen namens Ihor Kolomojskyj.
  5. Beschuss von Städten der Ostukraine durch Regierungstruppen mit Artillerie und Raketen
  6. Mindestens 4000 Tote, davon viele zivile Bewohner der Großstädte im Osten der Ukraine
  7. Zerstörung der Infrastruktur und der Industrie im Osten der Ukraine
  8. Stationierung einer Miliz, die sich ausdrücklich in die Tradition der deutschen SS stellt, direkt an der russischen Grenze in der Nähe von Rostow
  9. EU-Sanktionen gegen Russland

Wahrscheinliches Ergebnis

Aller Voraussicht nach wird am Ende dieser Auseinandersetzung eine Teilung der Ukraine stehen. Der genaue Verlauf der Teilungslinie wird vermutlich in einer weiteren Runde militärischer Auseinandersetzungen entschieden werden. Danach wird es eine mehr oder weniger lokalisierte Version des kalten Krieges („Frozen Conflict“) geben. Der Ostteil der Ukraine wird dann in jeder Beziehung von Russland abhängig sein. Der insolvente Westteil der Ukraine wird wirtschaftlich und finanziell absolut vom Westen und insbesondere von Berlin abhängig sein.
Die Kiewer Regierung und ihre Berliner Patronin könnten dann jederzeit den Konflikt hochkochen und den Zugang zu russischem Gas im Balkan blockieren. Berlin würde damit zwei Drittel der Pipelines für russisches Gas in die EU kontrollieren. Damit wäre die Abhängigkeit der EU von russischen Erdgaslieferungen ersetzt durch die deutsche Kontrolle des russischen Zugangs zum Erdgasmarkt der EU.

Russland hätte zwar die Kontrolle über zumindest einen Teil der ostukrainischen Industrieregionen erlangt, die für die russische Industrie von strategischer Bedeutung sind. Der Preis dafür war allerdings die fast vollständige Zerstörung der Industrieanlagen und der zugehörigen Infrastruktur.

South Stream
OK. Sie sagen, das ist eine völlige Überinterpretation von Berliner Ambitionen. Deshalb hier einige Informationen und Geschichten um die South Stream Pipeline, eine Erdgasleitung, die durch das Schwarze Meer an der Ukraine vorbei nach Bulgarien führen soll, und dann weiter über Bulgarien, Serbien und Ungarn in die Slowakei und nach Österreich. Diese wurde von der EU-Kommission aus politischen Gründen unter kartellrechtlichen Vorwänden blockiert. Hier der Bericht über eine Stellungnahme des Herrn Oettinger, Merkels Mann in der EU-Kommission zum Bau von South Stream.

Als trotz solcher Erklärungen die bulgarische Regierung grünes Licht für den Bau der dortigen Strecke von South Stream gegeben hatte und die Ausschreibungsergebnisse veröffentlicht wurden, wurde plötzlich mit Spam-Emails und SMS ein Run auf zwei große bulgarische Banken angestoßen, mit dem Ergebnis, dass die bulgarische Regierung einen Not-Kredit der EU annehmen und dann nach einigen Tagen zurücktreten musste. Dies war sicherlich nicht das Ergebnis einer Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten Bulgariens.

South Stream als Friedensplan
Die South Stream Pipeline würde es Russland erlauben, Erdgas ohne Zustimmung der Kiewer Regierung und des Berliner Kanzleramtes an Balkanstaaten wie Bulgarien, Serbien und Ungarn zu liefern, und zusätzlich auch Griechenland und Italien mit russischem Erdgas zu bedienen. Zusätzlich könnten in Griechenland oder Bulgarien Flüssiggas-Terminals gebaut werden, über die russisches Gas auch den Weltmarkt erreichen könnte. Ein Flüssiggas-Terminal in Bulgarien könnte auch Erdgas aus Zypern und Israel in das System einspeisen und so auch die Abhängigkeit der Balkanstaaten und Österreichs von russischem Gas vermindern. Deutschland hätte allerdings alle Aussichten verloren, über die Ukraine russische Erdgasexporte in die EU zu kontrollieren und sich die aus Gazproms Monopol ergebende Marktmacht selbst anzueignen. So gesehen könnte South Stream der beste Friedensplan für die Ukraine sein, da nach dem Bau dieser Pipeline die Ukraine kein geeigneter Austragungsort mehr für einen Krieg um die Dominanz des europäischen Energiemarktes wäre.

PS: Merkels Albtraum wäre natürlich die Verlängerung des South Stream Systems bis nach Bayern, weil dann Seehofer den Bau der Mega-Stromleitungen für norddeutschen Braunkohle- und Windstrom nach Bayern blockieren könnte, ohne dass dadurch in Bayern die Lichter ausgehen würden.

Die Neue Deutsche Außenpolitik

Eine der ersten Aktionen der Regierung Merkel III war die Ankündigung einer neuen deutschen Außenpolitik durch eine Dame und zwei Herren in München. Dieser Artikel analysiert Methoden, Ziele und Möglichkeiten dieser „Neuen Deutschen Außenpolitik“ am Beispiel der Krise in Osteuropa.

Krisen als Methode

Merkel inszeniert und nutzt üblicherweise die großen Krisen des Tages, um ihre Ziele zu verbergen und gleichzeitig voranzutreiben. Dies zieht sich durch ihre komplette politische Karriere, angefangen von der Demontage Helmut Kohls bis hin zur Etabliering ihrer Hegemonie in der Eurozone im Zuge der internationalen Finanzkrise.

Die aktuellen Krisen sind mit den Namen NSA/Snowden und Ukraine verbunden. Bei beiden spielt das Duo Merkel/Putin eine Schlüsselrolle. Die zugrundeliegenden Ziele Merkels könnten sein:

  1. Zerstörung der Glaubwürdigkeit der NATO, die dann nur noch auf dem Papier existieren würde.
  2. Aufteilung Osteuropas in eine deutsche und eine russische Einflußzone.

Map courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin
Map courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin

Mögliche Einflusszonern

Die deutsche Einflusszone wäre definiert aus der Kombination Schengen-Gebiet und Eurozone. Im Schengenraum soll die Internet-Infrastruktur und Kommunikation und damit auch der komplette Informationsfluss durch ein von Berlin definiertes „Sch(l)andnet“ kontrolliert werden. Die Finanzinfrastruktur der Eurozone wird letztlich auch von Merkels Netzwerk kontrolliert, und in Zypern konnte man auch sehen, dass sie bereit ist diese Macht zu nutzen. Hilfreich für Merkel wäre ein knapper Wahlsieg der Sozialisten bei den Europawahlen mit einem neuen EU-Kommissionspräsidenten Schulz.

Die russische Sphäre würde die Ukraine und Moldawien, vielleicht auch Ungarn und Serbien umfassen.

Man kann bereits Wirkungen in dieser Richtung beobachten. Dazu gehört sicherlich das laute Nachdenken des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, ob es nicht aus Gründen der Sicherheitspolitik für Polen ratsam wäre, der Eurozone beizutreten.

Das Skript

Wie könnte also ein solches Skript des Duos Merkel-Putin aussehen? Auf der einen Seite wäre ein „low intensity“ Konflikt in der Ukraine, der sich über mehrere Jahre hinzieht, mal eskaliert, sich dann wieder etwas beruhigt. Alles ohne eine direkte militärische Intervention Russlands, aber mit einem unübersehbaren Potenzial Russlands, jederzeit einzugreifen. Die neuen Machthaber in Kiew haben ohne massive Menschenrechtsverletzungen keine Chance, ihre Herrschaft gegen den Willen einer starken Minderheit durchzusetzen. Damit werden sie im Laufe der Zeit auch den letzten Rest Ihres guten Rufes noch ruinieren.

Die NATO kann gelähmt werden, indem z.B. mittels Snowden öffentlich behauptet wird, dass US-Streitkräfte ihre Basen in Deutschland nutzen, um mittels NSA-Techniken Ziele für Drohnen-Angriffe zu finden und auch entsprechende Angriffe von hier aus zu steuern. Damit kann eine Kampagne gegen den exterritorialen Status der US-Basen in Deutschland befeuert werden. Die NATO hätte in diesem Fall keine logistische Basis mehr für jedwede Aktion in Osteuropa. Die Polen, Balten, Rumänen, Bulgaren und Ungarn würden sehr schnell begreifen, dass die NATO die für ihren Schutz notwendigen logistischen Voraussetzungen verloren hat und somit kein glaubwürdiges Schutzversprechen mehr abgeben kann. Sie wären dann gezwungen, sich zwischen Putin und Merkel zu entscheiden. Die Bemerkung von Donald Tusk, Polen könnte aus Sicherheitsgründen den Euro einführen, deutet bereits in diese Richtung.

Nach einiger Zeit, wenn Merkel in den baltischen Staaten, Polen, Tschechien und dem Balkan ihre Ostereier eingesammelt hat und der Ruf von Klitschko & Co. vollends ruiniert ist, könnte die EU ihre Unterstützung für die aktuellen Machthaber in Kiew vollends einstellen. Damit würde die ganze Ukraine wie ein reifer Apfel in Putins Hände fallen.

Wer kann dieses Szenario verhindern?

Obama könnte. Er müsste dazu jedoch entschlossen sein und genügend Willenskraft aufbringen. Obamas Problem ist, dass er die Glaubwürdigkeit einer verbalen Sicherheitsgarantie der USA im syrischen Wüstensand beerdigt hat. Um die Unabhängigkeit Polens, der baltischen Staaten und der Staaten des Balkans zu sichern müsste er dort eine strategische Militärpräsenz aufbauen, die auch nicht innerhalb weniger Tage kampflos wieder abgezogen werden könnte. Das könnte z.B. ein Raketenabwehrsystem sein, geschützt durch einige schwere Panzerbrigaden.

Eine solche Stationierung würde jedoch bedeuten, neue Logistik-Linien nach Osteuropa aufzubauen. Damit würde wahrscheinlich eine US-Flottenpräsenz in der Ostsee und ein Flottenstützpunkt in Dänemark oder Norwegen nötig. Hinzu käme eine Nachschublinie aus dem Mittelmeer, inklusive von Öl- und Gaspipelines, um nicht mehr durch Energielieferungen erpressbar zu sein. Damit wäre als ein zusammenwirken von USA, Dänemark, Norwegen, Großbritannien mit Gibraltar und Zypern, von Griechenland und/oder der Türkei, von Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Slowakien, Tschechien, von Polen und den baltischen Staaten notwendig. Auch die Flottenbasen in Süditalien und Spanien wären zur Sicherung des Nachschubs mit von der Partie.

Das wäre in der Tat eine Revitalisierung der NATO, und das Bündnis würde auch wieder zu seiner ursprünglichen Mission zurückkehren: eine deutsch-russische Hegemonie in Europa zu verhindern. Das wäre möglich. Ist es aber auch wahrscheinlich? Merkel und Putin glauben die Antwort auf diese Frage im syrischen Sand gelesen zu haben.

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