Griechenland und Merkel

Die Griechenland-Krise ist wieder hochgekocht, und damit auch die Euro-Krise. Doch diesmal geht es nicht mehr um panische Schadensbegrenzung, koste was es wolle. Es geht um eine strategische Weichenstellung. Ich will mal kurz die gegenwärtige Situation analysieren und mit der Situation 2011/2012 vergleichen.

Griechenland war und ist insolvent. Es gab 2012 keinen Weg für Griechenland, seine Schulden komplett zurückzuzahlen, und diesen Weg gibt es heute noch viel weniger. Im schlimmsten Fall könnte Griechenland jedoch nach einem Ausscheiden aus der Eurozone ohne funktionierendes Bankensystem und damit auch ohne funktionierende Staatsverwaltung dastehen – also das erste offizielle Mitglied der Vereinigung der gescheiterten Staaten auf europäischem Boden werden.

Dieses Szenario wurde bisher vermieden. Berlin und seine Verbündeten haben jedoch einen Preis dafür verlangt: die Aufgabe der staatlichen Souveränität Griechenlands. Sie verlangen von Griechenland den Aufbau einer Verwaltung nach letztlich preußischem Muster, kontrolliert von ausländischen Beamten die dem griechischen Parlament und der griechischen Regierung Weisungen erteilen zu können. Vor 120 Jahren wurde ein solches Arrangement Kolonisierung genannt.

Die „Rettung“ Griechenlands verhindert eine Gesundung der griechischen Wirtschaft

Weil dieses Arrangement weder ausdrücklich vertraglich abgesichert wurde, noch durch eine militärische Besetzung untermauert wurde, muss es durch die permanente Drohung mit dem Staatsbankrott in Griechenland durchgesetzt werden. Das verhindert natürlich jede Investition mit einer Laufzeit von mehr als zwei Monaten und führt somit auch zwangsläufig zu der wirtschaftlichen Abwärts-Spirale, die wir gesehen haben.

Der vorherigen Regierung Griechenlands war zunächst ein weiterer Schuldenschnitt in Aussicht gestellt worden, sobald ein bestimmter Haushaltsüberschuss vor Zinsen und Kreditrückzahlungen erreicht worden ist. Allein schon diese Aussicht auf eine Stabilisierung hat die Rückkehr zu einem geringen Wachstum der griechischen Wirtschaft ermöglicht. Als dann aber der zuvor in Aussicht gestellte Schuldenschnitt, der auch vom IWF gefordert worden war, im vergangenen Herbst seitens der EU kategorisch abgelehnt wurde, hat der damalige Ministerpräsident Samaras vorgezogene Neuwahlen bewirkt. Diese führte zur Bildung der heutigen Regierung Zipras, mit einem ausdrücklichen Mandat die Souveränität Griechenlands wiederherzustellen. Soweit die griechische Sicht.

Griechenland und Merkels Dreisatz

Merkels Position, die von einigen anderen Akteuren geteilt wird, und der nur sehr wenige Entscheider offen zu widersprechen wagen, besteht aus einer Reihe von Sätzen, deren Bezug zueinander nicht gänzlich offensichtlich ist.

  1. Ein Scheitern des Euro bedeutet ein Scheitern der europäischen Union.
  2. Euro und europäische Union können eine Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone verkraften
  3. Wir lassen und nicht durch geopolitische Argumente unter Druck setzen


Geopolitische Konsequenzen eines Scheitern Griechenlands

Übersetzt heißt das: Die Eurozone darf nicht scheitern, aber sie wird an Griechenland auch nicht scheitern. Jedoch werden wir wenn nötig Griechenland scheitern lassen, selbst wenn dies schwerwiegende Probleme in der Außen- und Sicherheitspolitik aufwirft.

Die Frage ist nun: welche Gründe könnte es geben, ein Scheitern Griechenlands in Kauf zu nehmen, selbst wenn dies gravierende Nachteile in der Sicherheitspolitik nach sich ziehen würde? Das müssen gravierende Gründe sein, denn Griechenland mit seinen vielen Inseln erlaubt eine dominante Position im Luftraum und Seegebiet des östlichen Mittelmeeres. Was wäre wenn Griechenland aus der gemeinsamen Sicherheitspolitik der EU ausscheiden würde und etwa der russischen Marine und Luftwaffe als Basis dienen würde. Die EU würde viel Einfluss im Nahen und Mittleren Osten verlieren. Richtig bitter würde es werden, wenn Griechenland zu einem gescheiterten Staat würde, dessen Territorium von Gruppen wie Isis, Al Quaida und Hisbollah als Basis genutzt werden könnte. Diese könnten dann Waffen und Menschen fast beliebig zwischen dem Balkan, Nordafrika und Syrien hin- und herbewegen sowie den maritimen Handelsweg vom westlichen Mittelmeer über den Suez-Kanal nach Asien kontrollieren und je nach Lage auch blockieren.

Wenn Merkel nach einem Scheitern der Regierung Tsipras sich nicht auf einen von der Nato organisierten Militärputsch verlassen will, muss sie genau diese Konsequenzen einkalkulieren.Und auch ein wirtschaftlicher Zusammenbruch gefolgt von einem Militärputsch würde mit einiger Sicherheit zu einem Ausscheiden Griechenlands aus der EU und zu einer massiven Fluchtbewegung von Menschen aus Griechenland in die Rest-EU führen.

Das Finanzsystem ist gegen diesen Schock gesichert

All dies würde Merkel in Kauf nehmen, um eine Scheitern des Euro mit der möglichen Konsequenz eines Zerfalls der EU zu verhindern.

Dieser Gedanke zieht natürlich die folgende Frage nach sich: Warum und wie sollte es zu einem Scheitern des Euro führen, wenn Merkel auf die Forderungen der Regierung Tsipras eingehen würde, nämlich:

  1. einen Schuldenschnitt für öffentliche Gläubiger Griechenlands zuzulassen
  2. und dem griechischen Staat wieder seine Souveränität zurückzugeben

An einem möglichen Zusammenbruch des Finanzsystems kann es nicht liegen: Der Schock eines plötzlichen Grexits wäre für das Euro-Finanzsystem viel schwieriger zu managen als ein ausgehandelter Schuldenschnitt. Und laut Merkel kann das Euro-System einen Grexit aushalten, somit einen Schuldenschnitt allemal – soweit es das Finanzsystem angeht.

Der Grund, warum ein neuer Schuldenschnitt für Griechenland und die Rückgabe der politischen Souveränität an das griechische Volk zu einem Zerbrechen der Eurozone führen könnte, muss also woanders liegen: Nicht bei den Banken und dem Finanzsystem, sondern bei den Regierungen und dem politischen System.

Politische Ansteckungswege der Krise Griechenlands

Es gibt zwei politische Übertragungswege, über die ein Schuldenschnitt für Griechenland auf die ganze Eurozone und auf die ganze EU wirken würde:

Ursachen der Schuldenkrise liegen nicht nur bei den Schuldnerländern

Einmal wäre da das implizite Eingeständnis, dass es sich nicht nur um ein Problem Griechenlandes handelt. Vielmehr wurden die Probleme Irlands und Spaniens, aber bis zu einem gewissen Grad auch Portugals und Griechenlands dadurch herbeigeführt, dass die Geldpolitik der EZB in den Jahren bis 2007 für diese Länder viel zu locker war. Dies war dem Umstand geschuldet, dass die EZB eben nur eine Geldpolitik für die gesamte Eurozone machen kann, und diese sich an den Interessen Deutschlands und auch Frankreichs ausgerichtet hat. Und diese beiden Länder, insbesondere auch Deutschland, benötigten von 2000 bis 2006 dringend eine lockere Geldpolitik mit niedrigen Zinsen und hoher Liquidität. Diese überschüssige Liquidität führte besonders in Irland und Spanien massenhaften zum Bau von überteuerten Immobilien, die nicht gebraucht wurden. Die Regierung in Griechenland war nicht so diszipliniert wie die Spanier und Iren. Aber selbst in Griechenland wuchs die Staatsverschuldung zwischen 2000 und 2006 nicht im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, wie dieser Artikel von Frances Coppola zeigt

Beides wurde jedoch von den massiven Geldströmen in die Peripherie der Eurozone mit verursacht und jedenfalls ermöglicht. Wie ein solcher massiver Geldzufluss, selbst wenn er geschenkt und nicht geliehen ist, zu einer massiven Finanzkrise führen kann, zeigt Michael Pettis am Beispiel der französischen Reparationszahlungen an das deutsche Kaiserreich nach der französischen Niederlage von 1871.

Fehlende gemeinsame Wirtschaftspolitik

Diese Argumente können zu der Schlussfolgerung führen, dass nicht nur Fehlentscheidungen in Irland, Spanien, Griechenland und Portugal zu dem Schuldenproblem dieser Länder geführt haben, sondern auch eine nur an nationalen Interessen der stärksten EU-Mitgliedern ausgerichtete europäische Wirtschaftspolitik.

Ein Beispiel für diese fehlgeleitete Wirtschaftspolitik ist das Desertec Projekt in seiner ursprünglichen Ausgestaltung. Es sah vor, Sonnenstrom aus der Sahara über tausende von Kilomentern bis nach Deutschland zu leiten, um dort die Industrie mit Strom zu versorgen. Die Idee, die sicher der eine oder andere Spanier, Italiener und Grieche hatte, dass es besser wäre nicht den Strom über tausende von Kilometern zu leiten, sondern entsprechende Industrien am Mittelmeer anzusiedeln, konnte sich damals offensichtlich nicht durchsetzen.

Eine gemeinsame Verantwortung der gesamten Eurozone für Fehlentwicklungen in allen Euro-Ländern wurde, wenn überhaupt, nur in Sonntagsreden zu wahrgenommen. Stattdessen haben die stärkeren Länder auf Kosten der Schwächeren ihre Interessen einfach durchgesetzt. Deshalb stellt sich die wirkliche Frage so:

Entweder:

  • Ende der Währungsunion

Oder

  • gemeinsame Verantwortung für die Lösung der entstandenen Probleme
  • Schuldenschnitt für die überschuldenten Mittelmeerstaaten und auch für Irland
  • Eine gemeinsame Wirtschaftspolitik der Eurozone, die eine Lösung für die wirtschaftlichen Probleme der Mittelmeerstaaten, Jugendarbeitslosigkeit, schrumpfende Industrie etc. als wichtige Gemeinschaftsaufgabe anerkennt.

Eine Mitverantwortung Deutschlands für die Schuldenprobleme im Euroraum anzuerkennen wäre jedoch Merkels politischer Tod. Ein EU-Programm das darauf abzielt mit deutschem Geld eine Infrastruktur im Mittelmeer aufzubauen und dort einen Industriestandort zu entwickeln, der Deutschland ernsthaft Konkurrenz machen könnte, das könnte in Deutschland zu einer Revolution führen.

Dieses Dilemma könnte sich vielleicht noch für einige Zeit durch eine Politik des „rechts blinken und nach links abbiegen“ beherrschen lassen, so wie dies in den vergangenen 7 Jahren (seit 2008) auch funktioniert hat. Das geht jedoch nur für eine begrenzte Zeit, wie die diversen Verfahren der letzten beiden Jahre vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof zeigen.

Widerstand von der Deutschen Bundesbank und dem deutschen Verfassungsgericht

Das deutsche Bubndesverfassungsgericht, munitioniert mit Argumenten von Bundesbankpräsident Weidmann hat einen Beschluss gefasst, der besagt, dass das OMT-Programm der EZB der deutschen Verfassung wahrscheinlich widerspricht, weil es tatsächlich eine Finanzierung von Staatshaushalten dritter Staaten durch deutsches Steuergeld bewirkt, ohne dass das Berliner Parlament dies kontrollieren könnte. Das Bundesverfassungsgericht hat dann aber den Vorgang an den Europäischen Gerichtshof überwiesen, damit dieser entscheiden kann, ob das OMG-Programm und die Politik der EZB vom EU-Recht gedeckt wird. Sollte der Europäische Gerichtshof entscheiden, dass die Politik der EZB den europäischen Verträgen entspricht, und das deutsche Verfassungsgericht darauf beharren, dass diese Praxis mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar ist, dann ergäbe sich die logische Konsequenz, dass die EU-Verträge nicht mit der deutschen Verfassung vereinbar wären.

Das würde letzlich die Berliner Regierung verpflichten, die EU-Verträge zu kündigen, was einem Austritt aus der EU sehr nahe kommen würde.

Die Taktik in Brüssel, Frankfurt und auch Berlin ist nun, das OMT auslaufen zu lassen und dafür zu sorgen, dass das Eurosystem keine Staatsanleihen von Krisenländern mehr kauft – zumindest nicht von Ländern wie Griechenland, für deren Anleihen es keinen funktionierenden Markt mehr gibt. Damit wäre den Verfahren der Gegenstand entzogen, und sie könnten ohne Urteil beendet werden.

Wenn nun aber die EZB der griechischen Regierung eine Überbrückungsfinanzierung ermöglichen würde – und sei es über sehr kurz laufende Anleihen – dann würde das Verfahren beim deutschen Verfassungsgericht mit neuer Energie aufgeladen. Das könnte die Karlsruher Richter veranlassen, in dem Verfahren schneller ein Urteil zu sprechen, das dann praktische Konsequenzen verlangt.

Merkels Viersatz

In diesem Lichte wird aus Merkels Dreisatz ein Viersatz:

  1. Der Euro muss gerettet werden
  2. Das Eurosystem kann ein Ausscheiden Griechenlands verkraften
  3. Unausgesprochen: Einen Schuldenschnitt und eine stark an den Interessen der Mittelmeerländer ausgerichtete Wirtschafts- und Finanzpolitik würden das Eurosystem und die deutsche Innenpolitik nicht verkraften
  4. Selbst geopolitische Überlegungen können diese internen Probleme in Deutschland nicht übertrumpfen

Die Konsequenz in einem Satz
Um die Eurozone und möglicherweise auch die EU zu erhalten, muss Merkel Griechenland als Ballast abwerfen, selbst wenn dies große Probleme im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik mit sich bringt.

Die Neue Deutsche Außenpolitik

Eine der ersten Aktionen der Regierung Merkel III war die Ankündigung einer neuen deutschen Außenpolitik durch eine Dame und zwei Herren in München. Dieser Artikel analysiert Methoden, Ziele und Möglichkeiten dieser „Neuen Deutschen Außenpolitik“ am Beispiel der Krise in Osteuropa.

Krisen als Methode

Merkel inszeniert und nutzt üblicherweise die großen Krisen des Tages, um ihre Ziele zu verbergen und gleichzeitig voranzutreiben. Dies zieht sich durch ihre komplette politische Karriere, angefangen von der Demontage Helmut Kohls bis hin zur Etabliering ihrer Hegemonie in der Eurozone im Zuge der internationalen Finanzkrise.

Die aktuellen Krisen sind mit den Namen NSA/Snowden und Ukraine verbunden. Bei beiden spielt das Duo Merkel/Putin eine Schlüsselrolle. Die zugrundeliegenden Ziele Merkels könnten sein:

  1. Zerstörung der Glaubwürdigkeit der NATO, die dann nur noch auf dem Papier existieren würde.
  2. Aufteilung Osteuropas in eine deutsche und eine russische Einflußzone.

Map courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin
Map courtesy of the University of Texas Libraries, The University of Texas at Austin

Mögliche Einflusszonern

Die deutsche Einflusszone wäre definiert aus der Kombination Schengen-Gebiet und Eurozone. Im Schengenraum soll die Internet-Infrastruktur und Kommunikation und damit auch der komplette Informationsfluss durch ein von Berlin definiertes „Sch(l)andnet“ kontrolliert werden. Die Finanzinfrastruktur der Eurozone wird letztlich auch von Merkels Netzwerk kontrolliert, und in Zypern konnte man auch sehen, dass sie bereit ist diese Macht zu nutzen. Hilfreich für Merkel wäre ein knapper Wahlsieg der Sozialisten bei den Europawahlen mit einem neuen EU-Kommissionspräsidenten Schulz.

Die russische Sphäre würde die Ukraine und Moldawien, vielleicht auch Ungarn und Serbien umfassen.

Man kann bereits Wirkungen in dieser Richtung beobachten. Dazu gehört sicherlich das laute Nachdenken des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk, ob es nicht aus Gründen der Sicherheitspolitik für Polen ratsam wäre, der Eurozone beizutreten.

Das Skript

Wie könnte also ein solches Skript des Duos Merkel-Putin aussehen? Auf der einen Seite wäre ein „low intensity“ Konflikt in der Ukraine, der sich über mehrere Jahre hinzieht, mal eskaliert, sich dann wieder etwas beruhigt. Alles ohne eine direkte militärische Intervention Russlands, aber mit einem unübersehbaren Potenzial Russlands, jederzeit einzugreifen. Die neuen Machthaber in Kiew haben ohne massive Menschenrechtsverletzungen keine Chance, ihre Herrschaft gegen den Willen einer starken Minderheit durchzusetzen. Damit werden sie im Laufe der Zeit auch den letzten Rest Ihres guten Rufes noch ruinieren.

Die NATO kann gelähmt werden, indem z.B. mittels Snowden öffentlich behauptet wird, dass US-Streitkräfte ihre Basen in Deutschland nutzen, um mittels NSA-Techniken Ziele für Drohnen-Angriffe zu finden und auch entsprechende Angriffe von hier aus zu steuern. Damit kann eine Kampagne gegen den exterritorialen Status der US-Basen in Deutschland befeuert werden. Die NATO hätte in diesem Fall keine logistische Basis mehr für jedwede Aktion in Osteuropa. Die Polen, Balten, Rumänen, Bulgaren und Ungarn würden sehr schnell begreifen, dass die NATO die für ihren Schutz notwendigen logistischen Voraussetzungen verloren hat und somit kein glaubwürdiges Schutzversprechen mehr abgeben kann. Sie wären dann gezwungen, sich zwischen Putin und Merkel zu entscheiden. Die Bemerkung von Donald Tusk, Polen könnte aus Sicherheitsgründen den Euro einführen, deutet bereits in diese Richtung.

Nach einiger Zeit, wenn Merkel in den baltischen Staaten, Polen, Tschechien und dem Balkan ihre Ostereier eingesammelt hat und der Ruf von Klitschko & Co. vollends ruiniert ist, könnte die EU ihre Unterstützung für die aktuellen Machthaber in Kiew vollends einstellen. Damit würde die ganze Ukraine wie ein reifer Apfel in Putins Hände fallen.

Wer kann dieses Szenario verhindern?

Obama könnte. Er müsste dazu jedoch entschlossen sein und genügend Willenskraft aufbringen. Obamas Problem ist, dass er die Glaubwürdigkeit einer verbalen Sicherheitsgarantie der USA im syrischen Wüstensand beerdigt hat. Um die Unabhängigkeit Polens, der baltischen Staaten und der Staaten des Balkans zu sichern müsste er dort eine strategische Militärpräsenz aufbauen, die auch nicht innerhalb weniger Tage kampflos wieder abgezogen werden könnte. Das könnte z.B. ein Raketenabwehrsystem sein, geschützt durch einige schwere Panzerbrigaden.

Eine solche Stationierung würde jedoch bedeuten, neue Logistik-Linien nach Osteuropa aufzubauen. Damit würde wahrscheinlich eine US-Flottenpräsenz in der Ostsee und ein Flottenstützpunkt in Dänemark oder Norwegen nötig. Hinzu käme eine Nachschublinie aus dem Mittelmeer, inklusive von Öl- und Gaspipelines, um nicht mehr durch Energielieferungen erpressbar zu sein. Damit wäre als ein zusammenwirken von USA, Dänemark, Norwegen, Großbritannien mit Gibraltar und Zypern, von Griechenland und/oder der Türkei, von Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Slowakien, Tschechien, von Polen und den baltischen Staaten notwendig. Auch die Flottenbasen in Süditalien und Spanien wären zur Sicherung des Nachschubs mit von der Partie.

Das wäre in der Tat eine Revitalisierung der NATO, und das Bündnis würde auch wieder zu seiner ursprünglichen Mission zurückkehren: eine deutsch-russische Hegemonie in Europa zu verhindern. Das wäre möglich. Ist es aber auch wahrscheinlich? Merkel und Putin glauben die Antwort auf diese Frage im syrischen Sand gelesen zu haben.

.

Schröders Erbe und die Eurokrise

Immer wieder wird als Lösing der Eurokrise propagiert, die Länder Südeuropas sollten Strukturreformen nach dem Vorbild von Schröders Agenda 2010 einführen.

Teile davon sind in der Tat richtig und wichtig. Das gilt insbesondere für ein späteres Renteneintrittsalter, das eine zwingende Konsequenz aus der steigenden Lebenserwartung ist.

Subventionierung unproduktiver Arbeit
Aber die von der Regierung Schröder/Fischer eingeführte Subventionierung von unproduktiver Arbeit führt zu einer fehlerhaften Verwendung von ökonomischen Ressourcen. Menschen werfen zu Tätigkeiten gezwungen deren Ertrag nicht genügt, ihr Überlebenden zu sichern. Der Staat ergänzt dieses Nicht-Einkommen bis zu einem Betrag, den er als angemessen erachtet.
Dieser Artikel beschreibt einige Mechanismen, die durch solche Subventionen für Arbeitsprozesse mit niedriger Produktivität ausgelöst werden.
Zunächst hat die Logik, die besagt jeder solle sich selbst erarbeiten, was er könne, etwas bestechendes. Man könnte meinen es diene der Würde der Menschen, die nun auf weniger Hilfe angewiesen seien, und denke die Kosten für die Steuerzahler. Der Zwang, der in dieses System eingebaut wurde, führt jedoch in Wirklichkeit zu einem kontinuierlichen Abbau von Fähigkeiten bei den betroffenen Personen, zur Entwürdigung der Menschen und erhöht gleichzeitig die Kosten für Sozialausgaben.
Dieses System ist auch moralisch fragwürdig. Ökonomisch wichtiger sind jedoch die versteckten Kosten dieses Systems, die sich dadurch ergeben, dass das Wachstum des ökonomischen Potenzials ausgebremst wird. Dieser Artikek konzentriert sich auf die ökonomischen Konsequenzen der sogenannten Agenda 2010.

Beispiel Taxigewerbe
Ich will hier ein Beispiel aus dem Dienstleistungssektor diskutieren, das Taxigewerbe einer mittelgroßen Stadt. Man würde in anderen Branchen, z.B. bei Callcentern, Friseuren etc. ähnliche Effekte finden. Ich nehme das Taxigewerbe, weil hier die Marktmechanismen sehr deutlich sichtbar sind. Mein Rechenbeispiel ist eine mittelgroße Stadt mit einem Bedarf von 100 Taxen an Werktagen tagsüber und von 30 Taxen nachts und an Wochenenden. In diesem Szenario konnten in unsrer Musterstadt etwas mehr als 130 Menschen gut als Taxifahrer leben.
Nun kommen die Schrödersche Lohnsubventionen der Agenda 2010 ins Spiel. In der Tendenz sind nun alle 100 Taxen Tag und Nacht voll besetzt. Dies hat zur Konsequenz dass die 40 Taxifahrer, die bisher nachts und am Wochenende ihr Geld verdient haben, von ihrer Arbeit nicht mehr leben können. Wenn sie mehr als das staatlich verordnete Existenzminimum erhalten möchten, werden sie in die Tagschicht drängen.So entsteht auch ein Druck auf die Verdienstmöglichkeiten der Tagfahrer. Wir haben nun in dieser Musterstadt 40 Personen zusätzlich, die durch ihre Arbeit ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können, und 100 weitere, deren Einkommen erheblich unter Druck geraten ist.
Man kann dieses Beispiel auf viele Dienstleistungen übrtragen: Arbeiten zu Zeiten mit reduzierten Bedarf für eine Dienstleistung wird subventioniert, und Menschen werden dann gezwungen zu diesen Zeiten diese Leistungen zu erbringen. Die wenigen, die vorher von ihrer Arbeit in diesen Nebenzeiten leben konnten, können dies nicht mehr. Sie drängen daher in die Hauptzeiten, und so entsteht auch ein Druck auf die Einkommen der Menschen die zu den Zeiten mit größerer Nachfrage für ihre Dienstleistungen arbeiten.

Lohnsubventionen drückem mehr Menschen in die Hilfsbedürftigkeit
Hier greift nun ein weiterer Mechanismus: Wenn sich jemand dauerhaft in einer Situation wiederfindet, in der sein Einkommen nicht mehr den notwendigen Lebensunterhalt deckt und er somit auf die Schröderschen Lohnsubventionen angewiesen ist, dann wird es für ihn unerheblich ob er einen Stundenlohn von 8 oder 3 Euro von seinem Arbeitgeber erhält. Am Ende wird er denselben Betrag für seine Familie zur Verfügung haben, und wird so oder so von der Sozialbürokratie bevormundet werden. Er wird also keine Lohnerhöhungen verlangen, und wenn sein Chef ihm sagt, ich kann Dir nur noch 4 Euro pro Stunde zahlen, dann wird er mit den Achseln zucken und antworteten: „Na gut, wenn Du meinst.“

Verarmung der Gesellschaft
Also haben die Schöderschen Lohnsubventionen sechs direkte Auswirkungen:

  1. Die Zahl der Menschen, die den eigenen Lebensunterhalt nicht mehr selbst erwirtschaften können, und die unter die Fittiche der Sozialbürokratie flüchten müssen, steigt. Die staatlichen Sozialausgaben steigen daher massiv.
  2. Die Möglichkeiten für Arbeitsmarkt-Teilnehmer, ihre Produktivität durch Weiterbildung zu sichern und zu steigern, nimmt ab weil viele Menschen die dafür notwendige Energie und auch das notwendige Geld nicht mehr aufbringen können.
  3. Auch die Einkommen der Menschen, die gerade noch selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen können, sinken.
  4. Unternehmensgewinne steigen kurzfristig da das Lohnniveau am unteren Ende des Arbeitsmarktes massiv gedrückt wird.
  5. Anreize für Investitionen zur Steigerung der Arbeitsproduktivität werden reduziert.
  6. Mittelfristig verarmt die gesamte Gesellschaft da Investitionen in Prozesse mit höherer Arbeitsproduktivität bei Firmen und in Weiterbildung mit dem Ziel höherer Arbeitsproduktivität beim einzelnen Arbeitnehmer ausgebremst werden.

Verstaatlichung der Kindererziehung
Hinzu kommt, dass die Familien als Lebensraum für Kinder zerstört wird. Eltern werden gezwungen, beide Vollzeit zu arbeiten und die Förderung ihrer Kinder an staatliche Einrichtungen zu delegieren. Und wenn eine Familie unter Oberaufsicht der Sozialbürokratie steht, hat sie noch nichteinmal die Möglichkeit, sich diese Einrichtung selbst auszusuchen.
Dies mag zwar aus kulturpolitischen Gründen vom Staat so gewünscht sein, da sich so die Assimilation von Einwandererkindern erzwingen lässt und sich der Staat die Kontrolle über die Sozialisierung fast aller Kinder auf diese Weise erschleichen kann.
Aber unter ökonomischen Gesichtspunkten ist das extrem teuer. Eine Mutter oder ein Vater von zwei Kindern müsste 2000 Euro monatlich aufwenden, wenn er oder sie die staatliche Betreuung ihrer oder seiner Kinder selbst bezahlen müsste. Verdient eine Elternteil nach Abzug von Steuern, Wegekosten und möglicherweise Krankenversicherung weniger, wäre es wirtschaftlicher, wenn dieses Elternteil zuhause bliebe um für die Kinder zu sorgen und deren Entwicklung zu fördern. Das setzt freilich voraus, dass wir den Eltern in Deutschland zutrauen Eltern zu sein.

Das ist teuer
Natürlich kostet es viel Geld, wenn

  1. weniger Menschen ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten können und daher mehr Menschen auf staatliche Zahlungen angewiesen sind
  2. immer mehr Eltern gezwunger werden, die persönliche Betreuung ihrer Kinder an staatliche Einrichtungen zu delegieren, weil ihre Familie von einem Einkommen allein nicht überlebenden kann

Die höheren Sozialausgaben müssen aber von jemandem bezahlt werden. Die Regierung Schröder beschloß seinerzeit , dass diese Rechnung durch höhere Verbrauchssteuern bezahlt werden sollte, und erhöhte die Verbrauchssteuern auf Energie unter dem irreführenden Etikett „Ökosteuer“. Die erste Regierung Merkel setzte noch eins drauf und erhöhte den wichtigsten Satz der Mehrwertsteuer von 16 auf 19 Prozent des Warenwerts, das ist eine Steigerungsrate von sage und schreibe 18,75 Prozent.

Makroökonomische Auswirkungen
Durch die Subventionierung von Prozessen mit niedriger Produktivität werden diese gestärkt. Produktionen, die normalerweise auf Prozesse mit höherer Produktivität umgestellt worden wären, bleiben unverändert. Sicherlich werden sogar Produktionen mit suboptimaler Produktivität neu eingerichtet, solange die Investitionskosten nicht zu hoch sind und auch keine langfristige Festlegung erforderlich ist.

Massive Belastung der Mittelschicht
Obwohl man darauf achtete dass die notwendigen Steuererhöhungen die hoch-produktiven aber auch hoch-mobilen Dienstleister im Bereich der Banken, Anwälte, aber auch Ärzten, Ingenieure und andere Knowledgeworker von den notwendigen Steuererhöhungen möglichst wenig belastet wurden, musste durch diese Politik zwangsläufig die durchschnittliche Produktivität der deutschen Wirtschaft jedenfalls im Vergleich zu anderen Ländern wie die USA sinken.
Die massiver Steuererhöhungen für die sesshafte Mittelschicht, die besagten Knowledgeworkern zuarbeitet, bewirkte jedoch einen deutlichen Einbruch beim Konsum und somit auch bei Importen.

Hoher Leistungsbilanzüberschuss
Es wurde sicherlich auch etwas mehr exportiert, und sei es nur dass einige Exporteure mehr deutsche Wertschöpfung in ihre Produkte einfließen lassen.
Allerdings stellte sich dieses Wachstum der Exporte erst nach Ende der Regierung Schröder ein. Vorher konnte man sich aufgrund Schröders Außenpolitik in vielen Ländern mit einem Mercedes-Auto oder einem Siemens-Telefon nicht mehr wirklich sehen lassen.
Nach Schröders Abgang hat es Merkel geschafft, das von der Regierung Schröder in weiten Teilen der westlichen Welt erzeugte Entsetzen zu relativieren und damit die Märkte in den betreffenden Ländern für deutsche Firmen wieder zugänglich zu machen. Das ist ihr wahres Verdienst, und selbst eine Mehrwertsteuer-Erhöhung um 18,75% konnte die daraus folgende Erholung der deutschen Wirtschaft nicht zunichte machen.

Innovationskraft blutet aus
Die Autoindustrie konnte sich aufgrund ihrer langen Tradition und ihres ausgezeichneten Know-Hows erholen. Aber:

  • Es gibt keine in Deutschland entwickelten oder hergestellten Smartphones, keine PCs aus Deutschland, keine Tablet Computer mit deutscher Technologie.
  • Wer in Deutschland kann einen Touch-Screen herstellen?
  • Es gibt nur noch eine Bank in Deutschland, die über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung hat. Und die Deutsche Bank konnte sich nur deshalb international behaupten, weil sie vor gut zehn Jahren klug genug war, einen Großteil ihres Geschäfts in London anzusiedeln.
  • Es gibt keine deutsche Firma, die in der Lage ist den im Internet verfügbaren Schatz an Informationen effizient zu strukturieren. Man muss sich leider auf den Versuch beschränken, durch Google-Bashing das Gesicht zu wahren. Das gilt sogar für die Inhalte in deutscher Sprache.

Ich will diese Aufzählung nicht verlängern. Aber eine Frage muss noch sein: Wie weit muss der Stundenlohn einer Putzfrau in Deutschland noch sinken, damit das Land seine Innovationskraft wieder finden kann?

Wegen Euro keine Aufwertung der Währung in Deutschland
Dennoch: Schröders Subventionspolitik für Produktionsprozesse mit geringer Produktivität hat es vermocht, aus einem hartnäckigen Leistungsbilanzdefizit einen riesigen Leistungsbilanzüberschuss zu machen. Ohne den Euro hätte dies zu einer Aufwertung der deutschen Währung geführt, damit zu einer Steigerung der Kaufkraft der Gehaltsempfänger und im Extremfall zu einer deflationären Entwicklung. Jedenfalls hätte sich die Leistungsbilanz wieder einem Gleichgewicht angenähert. Aber unter den Bedingungen der gemeinsamen Währung konnte es gegenüber den anderen Euroländern keine Aufwertung geben, und der Aufwertungsdruck gegenüber anderen Währungen wurde durch den Euro stark verwässert.

Kräftige Unternehmensgewinne + geringer Innovationsdruck = hohe Geldvermögen
Die mittleren und großen Exporteure verdienen aufgrund des zu niedrigen Wechselkurses kräftig. Auch ihren Zulieferern ging es bestens, und sogar die kleinen Handwerker, die Bäcker, Metzger, Flaschner profitierten da sie nur noch deutlich niedrigere Löhne zahlen mussten.
Aber in Innovationen oder Steigerungen der Produktivität investierten nur noch wenige, da es ja nur geringen Druck in diese Richtung gab.
Wohin ging also das zusätzliche Geld, wem es nicht investiert wurde? Die Leute haben es auf die Sparkassen getragen. Und die Sparkassen haben es an die Landesbanken weitergereicht, da sie so viel überhaupt nicht verleihen konnten. Die Landesbanken haben den Geldsegen dann im Ausland in AAA-Produkten angelegt, ohne sich die Mühe zu machen, nachzusehen was sie da im Einzelnen kaufen.

Das ging dann aber schnell
Subprime … Georgien-Krieg … LEHMAN … Scheiße … kein Staat darf keine Bank nich pleite gehen lassen … irische Bankengarantie … aufatmen … Hypo-Realestate … Landesbanken … Chris Flowers enteignet, kann nicht mehr in die Bücher gucken … alles ist gut.

Lösung nur für Deutschland
Das Geld, das der deutsche Mittelstand zu den Sparkassen und Landesbanken getragen hatte, konnte nochmal gerettet werden. Das war aber knapp, nervenaufreibend und teuer für die Staatskasse. Für andere Länder will man das aber nicht machen, auch nicht gemeinsam auf EU-Ebene. Wahrscheinlich hätte man das dann auch nicht mehr bezahlen können.

Für andere Länder wird’s noch teurer
Aber das Euro-System kann man jetzt nicht platzen lassen. Deshalb erklärt man sich bereit, das unbedingt notwendige zu tun. Man lässt es sich aber teuer bezahlen. Der deutsche Leistungsbilanz-Überschuss spiegelte sich zwangsläufig in Leistungsbilanz-Defiziten anderer Länder, wie Spanien und Irland. Diese Länder kommen nun in große Schwierigkeiten da sich ein solches Defizit nicht per Dekret weg befehlen lässt und auch sonst nicht in wenigen Monaten verschwinden kann, aber mit dem Zusammenbruch der Kreditmärkte auch nicht mehr finanziert werden kann. Einige Länder müssen ihre Souveränität aufgeben. Es werden Maßnahmen durchgesetzt, die wie in Zypern oder Irland funktionierende, aber in Deutschland unbeliebte ökonomische Modelle zerstören. Im Dreimonats-Rhythmus wird geprüft ob man ein solches Land nicht doch Pleite gehen lassen möchte. Selbstverständlich muss in einer solchen Situation das ganze private Kapital diese Länder verlassen und findet sich, oh Wunder, in deutsche Anleihen zu negativen Realzinsen wieder. Das ist ein massiver – nicht nur temporärer – Wohlstands-Transfer aus Griechenland, Portugal, Irland und Zypern nach Deutschland. Auch Italien und Spanien sind von dieser Kapitalflucht betroffen. Mit diesem Zins-Verzicht durch Anleger aus anderen Euroländern auf Anleihen des deutschen Staates und von deutschen Konzernen kann man sogar die Kosten für die „Rettung“ des deutschen Finanzsystems fast wieder hereinholen.

Neue Gesichter
Trichet, Sarkozy und Berlusconi treten ab. Es kommen Mario Draghi, Mario Monti und François Hollande. Beim EU-Gipfel im Juni 2012 knüpfen sich Monti , Spaniens Rahoj und Hollande Merkel vor: „Jetzt reichts. Entweder wir gehen die Probleme gemeinsam an, oder der Euro ist am Ende. Jetzt, heute.“ Merkel stimmt schließlich zu, denn sie war auf ein sofortiges Ende des Euro nicht vorbereitet. Beschlossen wurde eine Banken-Union, sofort oder jedenfalls so schnell wie möglich. Insbesondere eine gemeinsames Abwicklung oder Rekapitalusierung für gescheiterte Banken wurde beschlossen, und als Vorraussetzung eine gemeinsame Bankenaufsicht.

Aufstand des deutschen politischen Mittelbaues
Zurück in Berlin bekam Merkel einiges zu hören. Jedenfalls ruderte sie schon am nächsten Tag zurück und verknüpfte ihre Zusagen mit kaum erfüllbaren Bedingungen.
Um dies zu verstehen muss man sich klar machen dass die Kreisvorsitzenden bei den großen Parteien die einzigen sind, die einen Vorsitzenden oder auch eine Kanzlerin ohne Neuwahlen absetzen können. Sie sind auch die Regenten der Sparkassen. Und sie haben sehr heftig auf die nun beschlossen Banken-Union reagiert.

Politische Funktion der Sparkassen
Das Sparkassen-System sichert die Macht des politischen Establishments in Deutschland gesellschaftlich ab. Hier werden in den Regionen die Gewinner gemacht und die Quertreiber bestraft. Zunächst dachte ich, es gehe „nur“ um diese leise Machtausübung in den Regionen mittels der Sparkassen, bei der man sich nicht durch europäische Institutionen auf die Finger sehen lassen will.

Verjährungsfristen
Als ich die letzten Statements von Wolfgang Schäuble zu einer europäischen Bankenaufsicht hörte und immer wieder Versuche sah, den Start einer europäischen Bankenaufsicht mindestens bis Ende 2014 zu verzögern, habe ich mal recherchiert was an diesem Termin so besonders ist. Und siehe da, die strafrechtliche Verjährungsfrist für Bilanzmanipulationen läuft 5 Jahre. Bilanzfälschungen aus dem Jahr 2009 können bis einschließlich 2014 strafrechtliche Konsequenzen für Sparkassen-Manager und Mitglieder der entsprechenden Aufsichtsgremien haben. Ob dieser Umstand in die deutsche Terminplanung für die Bankenunion eine Rolle spielt?

Deutsche Prioritäten
Es scheint jedenfalls festzustehen, dass die Berliner Regierung eher bereit ist, ein Zerbrechen der Eurozone zuzulassen als einer europäischen Institution vor 2015 das Recht zuzugestehen, in die Bücher aller deutschen Sparkassen zu sehen.

Die Eurozone nach Zypern

Die Diskussion um die Bedeutung der Zypern-Krise wird noch geführt. Wurde damit festgelegt, dass es in der Eurozone nach Zypern kein Bailout für Banken mehr geben kann? Jens Weidemann fordert jedenfalls, dass es eine Hackordnung der Kreditoren geben sollte, die abgearbeitet werden soll, bevor der Staat belastet wird. Er schließt hier ausdrücklich Bankeinlagen mit ein, und nur bei Sparkonten unter hunderttausend Euro bleibt er etwas unklar, inwieweit diese vor dem Staat belastet werden sollten.

Es gibt viele Neben-Kriegsschauplätze:

  1. Sind Spareinlagen noch sicher?
  2. Werden die Euro-Staaten wenn sie es für nötig halten Liquiditätsreserven von Unternehmen ganz oder teilweise konfiszieren?
  3. Haften nun Kunden einer gesunden Bank für Verluste aus Staatsanleihen von Banken, mit denen sie überhaupt nichts zu tun haben?
  4. Kann ein Rechtsstaat eine Steuer nur für Kunden einer einzigen Firma einführen? Wie wäre es mit einer Sondersteuer für alle Eigentümer eines Volkswagen-Autos, wenn VW wie in den 70er Jahren wieder einmal die Entwicklung verschlafen hat?
  5. Wer haftet für ELA-Kredite wenn die betreffende Bank zahlungsunfähig wird?
  6. Sind die EZB – und vielleicht auch der ESM – bevorrechtigt gegenüber allen anderen Kreditoren einer Bank, auch wenn dies nirgendwo in Verträgen festgelegt wurde?

Alle diese Fragen werden wenn überhaupt letztlich vor Gerichten geklärt werden. Das wird aber Jahre dauern und gehört nicht zu den unmittelbaren Folgen der Krise um Zypern.

Die wichtige Konsequenz der Zypernkrise:
Kapitalverkehrskontrollen werden im Euroraum hoffähig

Der europäische Binnenmarkt und das darin verankerte Prinzip des freien Kapitalverkehrs wurde durch Kapitalverkehrskontrollen außer Kraft gesetzt.
Das ist wichtig, denn ohne ein etabliertes und erprobtes System von Kapitalverkehrskontrollen kann der Austritt eines Landes aus der Eurozone nicht gemanagt werden.

Zypern als Versuchskanienchen

Da lag es nahe, ein kleines Land am Rande der EU, dessen Zusammenbruch im schlimmsten Fall auch wieder aufgefangen werden konnte, als Versuchskaninchen auf die Reise zu schicken. Jetzt konnte man testen, wo trotz Verbotes Vermögen aus Zypern abfließen konnte. Man konnte auch auf Ebene der EZB die Mechanismen etablieren und verfeinern, die zur Kontrolle des Kapitalverkehrs aus einem noch oder auch nicht-mehr Eurolandes durchgesetzt werden kann.

Zypern als Präzendenzfall
Auch wichtig: alle Parteien der europäischen Vertrage haben diesen Vertragsbruch akzeptiert, niemand hat protestiert. Damit gibt es jetzt einen erprobten Mechanismus zur Blockade von Geldüberweisungen aus einem Euroland in ein anderes, der jedenfalls stillschweigend von allen toleriert wurde. Es würde der EU-Kommission schwer fallen zu erklären, warum es mit den europäischen Verträgen vereinbar sein soll, wenn Zypern Kapitalverkehrskontrollen einführt, aber dasselbe Vorgehen durch ein anderes Land ein Vertragsbruch sein sollte.

Ein Zerfall der Eurozone wird zur realen Möglichkeit

Der Austritt eines Landes oder einer Gruppe von Ländern aus der Eurozone ohne Kapitalverkehrskontrollen wäre praktisch nicht zu managen. Nachdem nun ein Instrumentarium zur Verfügung steht, ist ein Auseinanderbrechen der Eurozone von einem unwahrscheinlichen Katastrophenfall zu einer realen Möglichkeit geworden. Gleichzeitig argumentiert Bundesbankpräsident Weidemann gegenüber dem deutschen Verfassungsgericht, dass es nicht Teil der Aufgabe der EZB sein könne, den Zusammenhalt der Eurozone sicherzustellen. Eine Entscheidung über den Zusammenhalt der Eurozone liege allein in der Sphäre der gewählten Politiker. Damit impliziert Weidemann, dass es durchaus auch eine Entscheidung gegen den Zusammenhalt der Eurozone in ihrer jetzigen Form geben könnte.

Dynamik

Damit erhält die Situation eine neue Dynamik. Wenn bisher die Risiken für den Bestand der Eurozone zwischen Banken, Hedge-Fonds, großen Kapitalanlegern und Regierungen verhandelt wurden, so sind jetzt auch Exportaufträge für größere Anlagen und längerfristige Investitionen von der Unsicherheit betroffen. Nur ein Beispiel: Wenn heute ein italienischer Kunde eine Produktionsanlage im Wert von einigen Millionen Euro in Deutschland kaufen möchte, die über mehrere Jahre realisiert und bezahlt werden soll, so entsteht folgendes Problem: Die Verträge werden in Euro abgeschlossen. Wenn nun in der Zwischenzeit Deutschland zusammen mit einigen anderen Ländern den Euro verlassen würde, und dann ihre Kosten-Basis in einer neuen, teureren Währung hätten, würde der Lieferant einen möglicherweise erheblichen Verlust machen. Wenn andererseits Italien,möglicherweise zusammen mit weiteren schwächeren Ländern die Eurozone verlassen würden, hätte der Italienische Kunde ein Problem. Er müsste die Rechnungen wie vereinbart in Euro bezahlen. Eine in diesem Fall unvermeidliche Aufwertung des Euro würde aber bedeuten, dass sich der Rechnungsbetrag umgerechnet in seine neue Heimatwährung weitaus höher als geplant wäre. In der Nach-Zypern-Welt werden beide Partner sicherlich darüber nachdenken, ob sie die Entscheidung über ein solches Project nicht aufschieben wollen, bis die Unsicherheit vorübergezogen ist. Das bedeutet aber, dass es ohne eine Klärung über die zukünftige Form und Struktur der Eurozone sehr schwer werden wird, die gegenwärtige Rezession zu überwinden.
Diese Problematik schlägt sich mittlerweile auch deutlich in den Statistiken des deutschen Außenhandels nieder.

Schlussfolgerung

Der Druck auf Politiker in Europa zu einer Klärung der Euro-Krise wird sich verstärken. Es kann eine Situation auch in Deutschland entstehen, in der die Rezession die Euro-Krise verstärkt und gleichzeitig die Euro-Krise durch die Rezession verschärft wird. Der Druck zu einer Lösung zu kommen, wird immer stärker werden. Gleichzeitig wird der Spielraum der verschiedenen politischen Kräfte, Zugeständnisse zu machen, durch die Rezession immer geringer werden. Das kann zu einer schnellen und sehr starken Zuspitzung führen.

Zypern und ELA: Moderne Version der Geschichte vom trojanischen Pferd

Zypern hatte bis 2010 eine gut funktionierende Wirtschaft, auch wenn dies der Berliner Regierung ein Dorn im Auge war. Im Jahr 2009 kündigte Merkels damaligem Finanzminister Peer Steinbrück an, seine Kavallerie gegen unbotsmößige Finanzplätze losschicken zu wollen. Diese Ankündigung richtete sich nicht zuletzt gegen Zypern. Dieses Jahr sichert Steinbrück im Wahlkampf u.a. Merkels Attacke auf Zypern gegen Angriffe aus dem linken Parteienspektrum ab, indem er als angeblicher Kanzlerkandidat der SPD posiert und aus unerklärlichen Gründen von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen hüpft.

Kennziffern zu Zyperns Finanzposition bis 2011
Bis zum Beginn der Eurokrise waren die Kennziffern zu Staatsverschuldung und Budgetsdefizit für Zypern weitaus besser als für Deutschland. Zypern war einer der wenigen Staaten die die Maastricht-Kriterien tatsächlich eingehalten haben. Die Berliner Regierung hat dagegen das Maastrichter Kriterium der maximalen Staatsverschuldung von 60% des Bruttoinlandproduktes nicht ein einziges Mal in den vergangenen zehn Jahren eingehalten.

Ein übersichtliches Diagramm finden Sie herzu bei der BBC. Die Zahlen kommen von Eurostat, für 2012 hat die EU noch keine Zahlen veröffentlicht.

Der Schuldenschnitt für Griechenland
Dann kam der Schuldenschnitt für Staatsanleihen Griechenlands. Eurogruppe und EZB hatten hoch und heilig versprochen, keine Ansteckungseffekte zuzulassen. Auf dem EU-Gipfel Ende Juni 2012 wurde beschlossen, dass Banken der Eurozone direkt durch den ESM rekapitalisiert werden können. Eine Überbrückung bei Problemen wegen des Zahlungsausfalls Griechenlands bis zur dafür notwendigen Anpassung der ESM-Verträge sollte über das Vehikel der „Emergency Liquidity Assistance“ möglich sein. Dies stellt einen Mechanismus dar, in dem eine nationale Notenbank Kredite an strauchelnde Banken vergibt. Die betreffende Notenbank kann dies über die EZB refinanzieren. Der EZB-Rat kann aber mit 2/3-Mehrheit diese Mittel jederzeit sofort fällig stellen.

Zypern hätte in diesem Moment tun können, was bis 2008 richtig und selbstverständich gewesen wäre: Banken, die nicht mehr genügend Eigenkapital haben und auch kein neues Kaptial beschaffen können, müssen Konkurs anmelden. Sie werden dann von einem Insolvenzverwalter als Treuhänder übernommen, der zusieht, wie er den Schaden für die Gläubiger möglichst gering halten kann.

Aber der Default Griechenlands auf seine Statsanleihen geschah 2012, drei Jahre nachdem in Europa die Merkel-Doktrin verkündet worden war, dass kein Staat ein Bank in Insolvenz gehen lassen dürfe. Hinzu kam das oben genannte Versprechen des EU-Gipfels im Juni 2012.

Merkels Verlässlichkeit
Nun hat Merkel offenbar nie daran gedacht, dieses Versprechen einzuhalten. Vielmehr hat sie immer neue Bedingungen gestellt und gleichzeitig dafür gesorgt, dass diese nicht erfüllt werden können. Beispielsweise hat sie als Vorraussetzung für eine Rekapitalisierung von Banken direkt durch den ESM eine vollständig funktionsfähige europäische Bankenaufsicht zur Bedingung gemacht. Gleichzeitig hat sie sich aber geweigert, deutsche Sparkassen und Landesbanken eine tatsächliche Aufsicht durch ein EU-Organ zuzumuten.

Zypern hatte Merkel Vertrauen geschenkt
Zypern hat also den Weg gewählt, auf das Wort Merkels und der EZB zu vertrauen. Viele Kunden, besondere jene der angeschlagenen Laiki-Bank waren hier weniger vertrauensselig und haben ihr Geld aus dieser Bank und aus Zypern abgezogen. Sigmar Gabriel wird sich jetzt sicher fragen, ob im Zuge dieser Aktion nun Gelder der „Russenmafia“ in Bundesanleihen geparkt wurden, und ob man nicht deshalb auch alle Bundesanleihen mit einer einmaligen konfiszierenden Steuer belegen sollte. Sicher ist aber, dass wegen des vorrausschauenden Verhaltens vieler Kunden der beiden größten zypriotischen Banken der notwendige Betrag der Emergency Liquidity Assistance (ELA) von etwa 2 auf gut 10 Milliarden Euro gestiegen ist. Und mittlerweile wurde von Bankenunion und Bankenrekapitalisierung durch den ESM immer weniger geredet.

Der Hinterhalt
Dann kam der 15. März 2013. Ja, Schäuble haßt Murdoch sicherlich, aber ihm verdanken wir Informationen, die ARD und ZDF nicht an uns weitergeben mögen. Laut Berichten von Financial Times und Wallstreet Journal hat Merkel gegenüber dem zyprischen Präsidenten die Zustimmung zu einer kleinen Steuer auf alle Bankguthaben in Zypern zur Bedingung für ihre Zustimmung zu einem Hilfspaket gemacht, und seine Zusage erhalten. Es sollten 7,5% auf alle zyprischen Bankguthaben über 100000 Euro sein und 3,5% auf kleinere Guthaben.

Lauft Berichten von FT und WSJ soll Anastasiades dann beim Finanzministertreffen versucht haben, die Sätze noch etwas zu verändern, indem die 3,5% reduziert werden und die 7,5% erhöht werden. Schäuble und Christine Lagarde, ehemalige französiche Finanzministerin und heute Chefin des IWF sollen daraufhin dem Präsidenten Zyperns eröffnet haben, dass die Beschlagnahme der Sparguthaben insgesamt mindestens 5,8 Milliarden Euro erbringen müsse, anders sei kein Paket möglich.

Daraufhin hat der zyprische Präsident die Verhandlungen abgebrochen. Nun war die Stunde des Jörg Asmussen, ehemaliger Staatssekretärs in Schäubles Finanzministerium und heutiges Präsidiumsmitglied der EZB, gekommen. Er nahm den Präsidenten Zyperns zur Seite und erklärte ihm, dass der Laiki-Bank die ELA-Kredite noch am Wochenende fällig gestellt würden, falls Anastasiades jetzt gehe. Schließlich stimmte der zypriotische Präsident zusammen mit allen Euro-Finanzministern einer Beschlagnahme von 6,7% bzw. ab 100000 Euro 9,9% der Einlagen auf zypriotische Bankkonten zu, und zwar bei allen Banken, auch bei solchen mit allerbester Bonität.

Hier sind zwei Berichte über den Verlauf der Verhandlungen am 15. und 16. März in Brüssel:

Das Schwarze-Peter Spiel
Das erste, was ich am Samstagmorgen im Radio hörte, waren Berichte dass Schäuble jeder Verantwortung für diesen Beschluss abstritt. Er sagte, dass dies die Idee der EZB gewesen sei. Er vergaß aber zu erwähnen, dass die EZB hier durch seinen alten Kumpel Jörg Asmussen vertreten war, der sich sicherlich nicht gegen seinen alten Chef Schäuble gestellt hätte. Asmussen stritt alsbald ebenso jede Verantwortung ab.

Zypern ist aus dem fahrenden Eurozug geschubst worden
Warum wollte keiner etwas mit diesem Beschluß zu tun haben? Weil es so offensichtlich ist, dass dieses Paket keineswegs geeignet sein konnte, Zyperns Finanzprobleme zu lösen. Sinn und Zweck dieses Beschlusses kann nur gewesen sein, Zypern als Finanzzentrum zu zerstören. Denn was tut ein Bankkunde, nachdem ein Staat ihm 10 oder auch 6,7% seines Kontos enteignet hat? Er nimmt die restlichen 90% oder 93% und überweist sie so schnell es irgend geht ins Ausland. Infrage kämen hier besonders Überweisungen auf Konten in London, Zürich, New York, Singapur, geführt in Britischem Pfund, Schweizer Franken oder US-Dollar.
Daran konnte selbst die einmütige Ablehnung dieses Bankraubes im zypriotischen Parlaments nichts mehr ändern. Der notwendige ELA-Betrag ist damit von 10 Milliarden Euro auf ein sehr viel höheres Volumen gestiegen und wird in einigen Wochen vielleicht vierzig oder auch fünfzig Milliarden Euro betragen. Kein Zypriot und auch keine Bank aus Zypern wird irgendeine moralische Verpflichtung sehen, auch nur einen Cent davon wieder zurückzuzahlen. Auch die angebliche Rettung Zyperns am 24.März und der nominale Verbleib des Landes in der Eurozone konnte daran nichts ändern.

Die Banken in Zypern sind seit dem 28. März wieder offen, doch die Ausgabe von Euronoten und das Bezahlen von Rechnungen ist nach wie vor rationiert.

Schäuble und Asmussen sind seit vielen Jahren im Geschäft, und sie waren sich über diese Auswirkungen eines solchen Beschlusses sicherlich voll im Klaren.

Schattenfechten
Es gibt aber auch noch einen weiteren Aspekt dieses Beschlusses, der aufhorchen lassen sollte: Es sollten insgesamt 17 Millarden Euro aufgebracht werden, und diese sollten zur Rekapitalisierung zypriotischer Banken verwendet werden. 10 Milliarden sollten von EU und IWF kommen, vermutlich 6,7 von EU und 3,3 Milliarden vom IWF. Mit der Rekapitalisierung der Banken wären aber auch die ELA-Kreditlinien überflüssig geworden. Wenn man das nun als konkrete Finanzströme ansieht, so wären 3,3 IWF-Milliarden an die EZB zur Ablösung der ELA-Linie gegangen. 6,7 Milliarden dieser Linie wären in einen ESM-Kredit umgewandelt worden. Nach Zypern wäre nicht ein einziger Cent geflossen. Ich bin mir nicht sicher, ob USA, Großbritannien und China einer solchen IWF-Subvention für die EZB zugestimmt hätten.

Beide Argumente zusammengenommen legen nahe, dass die Beschlüsse vom 16. März von Schäuble&Friends nie ernst gemeint waren. Vielmehr war es der letzte Schubs, der Zypern faktisch aus der Eurozone hinausbefördert hat. Ein Euro in Zypern hat nicht mehr denselben Wert wie ein Euro in Frankfurt, und es gelten auch nicht mehr dieselben Regeln für den Euro in Frankfurt und in Zypern.

Zypern als Versuchskaninchen
Vielmehr war es der Beginn eines erbitterten Kampfes darum, wie das Ausscheiden eines Landes aus der Eurozone rechtlich ausgestaltet werden kann. Das Ausscheiden Zyperns wurde bereits mit dem Beschluß vom 16. März unvermeidlich, und bereits heute ist aufgrund der eingeführten Kapitalverkehrskontrollen ein Euro in Zypern nur noch dem Namen nach dasselbe wie ein Euro in Frankfurt, Paris oder Brüssel. In Wirklichkeit hat Zypern bereits jetzt eine andere Währung als die Eurozone, auch wenn deren Einheiten noch dieselben Namen tragen.

Auch der EZB war bewußt, dass bei einer Wieder-Öffnung der Banken in Zypern eine Erhöhung des ELA-Betrages um möglicherweise 30 Milliarden Euro oder mehr notwendig würde. Daher gab es auch eine Zweidrittel-Mehrheit im EZB-Rat für den Beschluß, das ELA-Programm für Zypern zu beenden, falls am 24.03. keine Einigung gefunden würde. Asmussens Ankündigung vom 15.3. hingegen war nicht vorher mit dem EZB-Rat abgestimmt. Jedenfalls wußte der Präsident von Zyperns Notenbank nichts davon, obwohl er Mitglied im EZB-Rat ist. Und laut dem Statement Barrosos bei der Pressekonferenz mit Medjedew wurden auch die andenen Euro-Regierungen nicht im Vorraus über den Hinterhalt Schäubles und Asmussens informiert*.

Wenn Zypern jedoch de facto bereits aus der Eurozone hinausgeworfen wurde, wozu braucht man dann noch eine Einigung? Das Problem entsteht, weil rechtlich ein Verlassen der Eurozone nur zusammen mit einem Austritt aus der EU möglich ist. Das ist einerseits in den Euro-Verträgen so geregelt. Andererseits ist der Austritt eines Landes aus der Eurozone nicht ohne Einschränkungen des Kapitalverkehrs denkbar. Solche Kapitalverkehrskontrollen zerstören jedoch den gemeinsamen Markt im Kern. Daher musste geklärt werden, wie mit den notwendigen Kapitalverkehrskontrollen umgegangen werden wird und ob Zypern seinen Zugang zum EU-Markt behalten kann. Bei einer sochen Diskussion ist natürlich wichtig, wer das ganze Schlamassel verursacht hat. Also waren folgende Punkte zu klären:

  • Wie kann Zypern in der EU bleiben?
  • Wie wird der nun sehr viel höhere Kapitalbedarf Zyperns gedeckt?
  • Wie können die Zyprer dazu überedet werden, weiterhin Euros als Bezahlung für ihre Leistungen zu akzeptieren, auch wenn diese das Land nicht mehr verlassen dürfen
  • Da Nordzypern in den Augen der EU zur Republik Zypern gehört, dürfen Euronoten aus Südzypern dorthin verbracht werden. Wie kann man aber die Weiterreise dieser Banknoten über die Türkei zurück nach Frankfurt verhindern?

Durch ihr Ultimatum hat die EZB die Eurostaaten und die EU-Kommission gezwungen, diese Fragen zumindest fürs Erste zu klären. Aus dieser Thematik heraus wird auch klar, warum die Verhandlungen auf der Ebene der Präsidenten der EZB, des IWF, der EU-Kommission und Zyperns geführt wurden, und den Euro-Finanzministern nur noch gestattet wurde, den öffentlichen Rahmen zu den Verhandlungen beizutragen.

Wie geht es nun weiter mit Zypern?
Zypern wird nun eine harte Zeit erleben. Aber das Land hat alles, um daraus letztlich gestärkt hervorgehen zu können. Dazu sollte man die folgende Situation sehen:
Bis auf weiteres wird Zypern nominell in der Eurozone bleiben (müssen). Da aber eine Euronote in Nordzypern mehr wert ist als in Südzypern, und in der Türkei mehr wert ist als in Nordzypern, wird sich wahrscheinlich ein kleiner Kreisverkehr ergaben, was Papiergeld betrifft: die EU fliegt Euronoten nach Nikosia. Diese wandern dann zwar gemessenen Schrittes, aber zielstrebig nach Famagusta, weiter nach Adana und dann über Istanbul und den Balkan zurück ins Euroland. Euros werden Zypern nicht einmal mehr als Urlaubsland mögen.

Wenn die Menschen in Zypern ihren Alltag neu organisieren möchten, brauchen sie also vor allem eins: ein neues Zahlungsmittel, dem sie vertrauen können und das bei möglichen neuen konfiskatorischen Fieberanfällen der Euro-Finanzminister für diese nicht erreichbar ist. Diesbezüglich gibt es drei gute Nachrichten:

  1. Die gute Nachricht ist: In Zypern gibt es die dafür notwendigen finanztechnischen und juristischen Experten. Auch die erforderliche Infrastruktur und ein verläßliches Rechtssystem sind bereits vorhanden.
  2. Die bessere Nachricht ist: auch Griechen, Italiener und Portugiesen werden diesen Service in absehbarer Zeit nutzen wollen. Bulgaren, Rumänen und Kosovaren hätten bestimmt auch ihre Freunde dran. Auch die Deutschen werden den entsprechenden Service spätestens bei ihrer nächsten Urlaubsreise liebgewinnen und diese Alternative zum Euro wird sich dann auch in Deutschland breitmachen. (Schäuble wird das als „Seuchle“ sehen, aber das sei ihm überlassen.)
  3. Und die allerbeste Nachricht ist, dass diese Lösung längst dem Probelauf entwachsen ist. Das voll funktionsfähige System ist Eigentum einer in der EU ansässigen Firma, nämlich von Vodaphone. Das Zauberwort heißt M PESA und Vodaphone benötigt vermutlich keinen ganzen Monat, um einen solchen Service in Zypern auszurollen. Durch eine Kooperation mit Dienstleistern wie Paypal wäre vermutlich nicht einmal eine eigene Banklizenz notwendig.

Fußnote
* Barroso in Moskau laut EU-Observer vom 21.03.13 „Regarding the conclusions of the last Eurogroup [euro finance ministers, who drew up Plan A], Russia was not informed because the governments of Europe were not informed – let’s be completely open and honest about that issue. There was not a pre-decision before the Eurogroup meeting. The Eurogroup meeting concluded, I think, in the very early hours of Saturday and the decision was the result of a compromise,“