Die Krise Europas

Merkel und Sarkozy sollten Papandreou auf den Knien danken. Warum: Die Krise Europas ist so weit gediehen, dass sich Europa ja in Gestalt des ESFS 1000 Milliarden Euro leihen will, Mitte der Woche noch nicht einmal in der Lage war, sich 3 Milliarden Euro zu leihen. Und dank Papandreou hat’s keiner gemerkt. Dennoch:Ist Europa so arm geworden? Nein, aber die Glaubwürdigkeit der europäischen Politiker in der Welt ist so tief gesunken.

Warum war die Antwort der Anleihe-Märkte und der G20 so negativ?

Es gibt dafür mehrere Gründe:

  1. Es gibt noch immer keine gemeinsame europäische Wirtschafts- und Industriepolitik. So versucht z.B. die Berliner Regierung Strompreise für die deutsche Industrie zu subventionieren, und Elektrizität aus der Sahara durch Spanien und Italien nach Deutschland zu leiten. Das soll geschehen obwohl energie-intensive Industrieproduktion auch in Spanien, Portugal und Griechenland angesiedelt werden könnte, erneuerbare Energien dort weitaus günstiger erzeugt werden können als in Deutschland und die Arbeitslosigkeit immens ist. Als Sahne-Häubchen europäischer Solidarität dienen dann Programme, die versuchen einen Brain Drain aus den Mittelmeer-Ländern in Richtung Deutschland zu initiieren.
  2. Europa als Ganzes hat derzeit immer noch das Geld, um die bis jetzt aufgelaufenen finanziellen Ungleichgewichte selbst auszugleichen. Allein es fehlt der politische Wille. Was sind aber finanzielle Garantien ohne diesen politischen Willen wert?
  3. Der erzwungene Forderungsverzicht privater Gläubiger Griechenlands hat ein Beispiel gesetzt, wie man Credit Default Swaps und andere Garantien aushebeln kann, indem man die Auslöser manipuliert. In den Papieren für die ESFS-Garantien wird nicht klar definiert, unter welchen Bedingungen die Garantien greifen und wer den Garantiefall im Einzelfall ausruft. (Siehe „Approaching the Italian endgame“, FT 3.11.11)

Die Antwort auf die Reise von Klaus Regling nach China und beim Gipfel in Cannes war: Ihr Europäer habt alles, was Ihr braucht um Euch selbst zu helfen. Wenn Ihr das jedoch nicht wollt, wird unser Geld die Krise Europas auch nicht lösen können. Und selbst wenn Ihr tatsächlich von uns Geld bräuchtet, würdet Ihr es allenfalls über den IWF bekommen, damit wir vor Euren Tricksereien sicher sein können.

Die Krise Europas ist eine Strukturkrise

Unabhängig von dem Verhalten des IWF, der G20 und der internationalen Finanzmärkte führt kein Weg zur Lösung der Krise an dieser Erkenntnis vorbei: Obwohl Strukturreformen in vielen einzelnen Staaten der EU notwendig sind, kommt die Lösung dieser Schuldenkrise nicht ohne eine Reform der Strukturen der EU aus. Es geht dabei aber nicht um ein Veto-Recht der Regierung in Berlin auf den Haushalt der Regierung in Rom. Viehlmehr geht es darum, dass Wirtschafts- und Finanzpolitik auf der Ebene der EU, im Interesse aller Bewohner der EU und legitimiert durch das Europaparlament betrieben wird. Es mag für die Regierungen der Nationalstaaten zwar bitter sein, diese Kompetenzen abgeben zu müssen, insbesondere für die Berliner Regierung. Denn bei einer Aufteilung der strukturpolitischen Kompetenzen zwischen der europäischen Ebene und den Regionen könnten die deutschen Bundespolitiker leer ausgehen. Somit könnte die Lösung der Krise Europas zu einem erheblichen Verlust an Macht für Frau Merkel und ihre Freunde führen. Daher kommen auch die Versuche, die Essenz des Problems mit Hunderten oder auch Tausenden von Milliarden von Euro zu ertränken. Der Schönheitsfehler ist nur, dass diese Milliarden über Steuern wieder eingetrieben werden müssen.

Erneute Rettung für Griechenland

Die zweite Rettung für Griechenland steht jetzt an. 110 weitere Euro-Milliarden sind ein hoher Preis fürs Nichtstun. Daß Griechenland nicht ohne grundlegende Veränderungen an die Kreditmärkte zurückkehren kann, war schon vor gut einem Jahr bei der Debatte über das erste Paket zur Errettung Griechenlands klar. Ich erinnere nur an die entsprechende Aussage von Joseph Ackermann, für die er so stark von den Mächtigen in Berlin gescholten wurde.
Siehe:Ackermann äußert Zweifel an Griechenland-Rettung (bei Handelsblatt.com am 13.05.2010 veröffentlicht)

Aber welche Veränderungen genau sind denn notwendig? Selbstverständlich und klar ist, dass in Griechenland selbst Verkrustungen aufgebrochen werden müssen, was ja auch massiv geschieht. Aber klar ist auch, daß dieses Problem und auch die zugehörige Lösung nicht allein in Griechenland zu finden sind. Und außerhalb Griechenlands kann ich sehr viel weniger Aktivität und Energie bei der Suche nach einer Lösung erkennen.

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Die Offiziellen in Berlin, Frankfurt, Paris etc. geben indirekt zu dass die jeweilige Rettung für Griechenland nicht nur wegen griechischen Besonderheiten notwendig wird. Sie beschwören vielmehr vier Mal pro Woche die Gefahr einer Ansteckung der Staatsschulden-Krise für Irland, Spanien und Portugal. Belgien und Italien werden zwar seltener erwähnt, aber eine Krise der Staatsfinanzierung dort könnte noch gefährlicher werden. Wenn es sich aber um ein rein griechisches Problem von Korruption und Verkrustungen handeln würde, wären dadurch weder Irland noch Spanien bedroht. Auch die deutschen Exporte nach Griechenland sind gering. Trotzdem sind die Regierungen der EU-Staaten bereit, hunderte von Milliarden Euro auf den Tisch zu legen. Wirklich nur wegen eines Problems, das ausschließlich Griechenland betrifft?

Das Problem hat in Wahrheit drei Köpfe:

  1. Dieser Aspekt darf noch offen diskutiert werden: Die EZB muss eine Geldpolitik für alle Eurostaaten machen. In vielen Fällen sind die Zinsen zu niedrig für die Einen und zu hoch für die Anderen. Und in der Praxis hat sich herausgestellt, daß sich die Geldpolitik der Eurozone in erster Linie nach den Bedürfnissen Deutschlands und Frankreichs ausrichtet. Wenn Berlin niedrige Zinsen braucht, wie in den Jahren 2001-2005, sind die Zinsen in der Eurozone niedrig. Es spiel dann auch keine Rolle, ob der Immobilienmarkt in Spanien oder Irland heiß läuft. Es spielt auch keine Rolle, wenn der griechische Staat die niedrigen Zinsen als eine unerwartete Bonanza betrachtet, und nach dem Motto „Get it, while you can take it“ beherzt zugriff. Diese Argumentationslinie wird in Deutschland oft und gerne benutzt, um die Forderung nach einer Wiedereinführung der D-Mark zu legitimieren.
  2. In Berlin ist das Interesse an gemeinsamer europäischer Politik verloren gegangen. Ein Beispiel ist die Entscheidung im Jahre 2008, daß es keine europäische „Rettung“ für das europäische Bankensystem nach der Lehmann-Pleite geben würde, sondern jeder Staat selber sehen sollte, wo er bleibt. Diese Politik wurde von Angela Merkel und Peer Steinbrück (der seinen Nachbarn mit Kavallerie droht und das auch noch spaßig findet) durchgesetzt.
    Ein weiteres Beispiel ist, daß trotz allem Gerede über eine gemeinsame europäische Energiepolitik in Berlin noch nicht einmal Konsultationen im europäischen Rahmen für notwendig gehalten wurden, bevor Merkel die schnelle Abschaltung der Kernkraftwerke in Deutschland verkündete. Mir scheint, dass die Berliner Regierung zur traditionellen preußischen Außenpolitik des Lavierens zwischen Russland und dem Westen zurückgekehrt ist. Merkel &Co. agieren jedenfalls nicht mehr als Teil des Westens, der sich in EU und NATO institutionell abbildet. Eine kleine Krise scheint Merkel hin und wieder ganz gelegen zu kommen, um bestehende Strukturen von EU und NATO auszuhöhlen. Dafür versucht sie dann informelle Machtstrukturen aufzubauen, die ihr mehr Raum zum manövrieren und intrigieren lassen.
  3. So wurde zwar viel über eine Rettung für Griechenland geredet, und noch mehr Geld dafür ausgegeben. Leider ist ob all dieser Anstrengung keine Zeit mehr dafür geblieben, eine gemeinsame wirtschaftliche Strategie für die ganze EU zu entwickeln, in der auch alle kleine Staaten am Rande ihren Platz haben. Dabei könnte Griechenland sehr viel zu einer sicheren europäischen Energieversorgung beitragen. So wurde zum Beispiel vor der Küste Israels Erdgas gefunden, was eine Suche in griechischen Seegebieten nahe legt. Auch wäre Griechenland ein interessanter Standort für die Gewinnung nachwachsender Energieträger aus dem Meer, z.B. über die Zucht bestimmter Algen, die zu Treibstoff verarbeitet werden können. Stattdessen wurden in „Kerneuropa“ Projekte in Gang gesetzt, mit denen Sonnenenergie aus der Sahara als Elektrizität nach Deutschland geleitet werden soll. Sie soll unter anderem dafür genutzt werden, in Deutschland Bleche in Auto-Türen zu verformen. Ob es nicht sinnvoller wäre, solche Fabriken in Portugal oder auch in Marokko aufzubauen?
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Bereits explodiert: Das vierte Gesicht des Problems

Es gab noch einen vierten Aspekt bei der Inszenierung einer Rettung für Griechenland. Dieser Teil des Problems hat sich jedoch inzwischen von selbst erledigt. Es sollte unter allen Umständen die Doktrin aufrecht erhalten werden, dass Staatschulden, zumindest in Europa, risikolos seien. Regierungen in Paris, Berlin, Rom, Madrid und anderen Städten fürchteten nämlich, daß Anleger ihre Schulden, Vermögenswerte, Einnahmen und Ausgaben einmal unter die Lupe nehmen könnten. Das geschieht mittlerweile, und es ist das Ende des wunderbaren Zeitalters, in dem die Regierungen großer europäischer Staaten nur mit dem Finger schnippen mussten, um quasi unbegrenzte Finanzmittel zu mobilisieren.
Viele Wähler in Deutschland fragen sich bis heute, wo Merkel und Steinbrück die 750 Milliarden Euro versteckt hatten, die sie im Jahr 2008 innerhalb von wenigen Tagen für den sogenannten „Rettungsschirm für Banken“ mobilisiert haben. Diese Wähler wissen nicht, daß dieses Duo damals nur ein paar Zettel genommen und ein paar Zahlen darauf geschrieben habt. Merkel glaubt bis heute, damals super clever gehandelt zu haben. Aber Schäuble wischt sich ab und zu den Angstschweiß von der Stirn, wenn er daran denkt, daß ihm als Finanzminister eines Tages diese Zettel zur Einlösung der darauf gekritzelten Versprechungen präsentiert werden könnten.
Heute ist die Illusion vom Staat ohne finanzielle Grenzen gründlich geplatzt, und die Menschen wissen, dass im Zweifel auch der allergrößte Staat pleitegehen kann. Daran ändert auch die Frage nichts, ob ein Staat zur Vertuschung neue kreative Worthülsen erfindet oder die Wahrheit einfach Wahrheit sein lässt. Daher steht diese Zettel-Methode bei der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands heute nicht mehr so einfach zur Verfügung.

Schlussfolgerung
Eine Rettung für Griechenland wurde notwendig, weil sich der griechische Staat nicht zu einer funktionierende ökonomischen Strategie durchringen konnte, und auch die EU keine gemeinsame ökonomische Strategie entwickelt hat, die jedem einzelnen Mitgliedsland eine Zukunft in Wohlstand ermöglicht. Deshalb kann Griechenland aller Wahrscheinlichkeit nach seine Schulden nicht komplett zurückzahlen und wäre schon jetzt ohne Gelder von EU und IWF ein gescheiterter Staat. Andererseits liegt die Lösung nicht in einer Entschuldung Griechenlands alleine. Ob man bei einer Entschuldung an einen teilweisen Schuldenerlass oder an eine Übernahme eines Teils der Schulden durch die EU als Institution denkt, spielt keine Rolle. Eine von beiden Möglichkeiten wird unausweichlich sein, wie auch Axel Weber bestätigt. Aber keine von beiden Optionen macht Sinn, bevor es ein funktionierendes Geschäftsmodell für eine neue griechische Wirtschaft im Rahmen der EU gibt. Und ein solches Modell wird es nicht geben, bevor nicht in den EU-Rat ein Geist zurückkehrt, der nach gemeinsamen Lösungen für gemeinsame Probleme sucht. Man könnte daraus folgern, daß eine Entschuldung Griechenlands nicht vor einer Ablösung Merkels sinnvoll sein wird.

Preise für Energie und Nahrungsmittel

Explodierende Preise für Energie und Nahrungsmittel, sowie eine Flut von hochriskanten Schuldtiteln, die in den Bilanzen von Banken und Versicherungen als sicher bewertet wurden. So war die Lage im Frühjahr 2008, und so ist sie auch heute. Die Schuldtitel waren damals mit überteuert gekauften Immobilien gesichert. Es stellte sich aber heraus, daß viele Besitzer dieser Immobilien im Lichte der gestiegenen Kosten ihre Hypotheken nicht mehr bezahlen konnten oder wollten.
Heute sind Staatsschulden das Problem. Trotz aller Rettungsversuche zeichnet sich eine Welle von „Umstrukturierungen“ bei Staatsschulden ab. Manche Staaten werden schlicht nicht alle Schulden bedienen können. In anderen Ländern wird es nicht möglich sein, die erforderlichen Sparmaßnahmen auf demokratischem Wege durchzusetzen.

Spekulanten sollen an allem schuld sein
Die alleinige Schuld an den Problemen wurde 2008 von vielen Politikern dem Finanzsektor zugewiesen, insbesondere bösen Spekulanten und gierigen Bankern. Als Gegenmittel wurde angepriesen, daß die Regierungen mehr Macht über Banken erhalten sollten. So sollten Spekulanten „an die Kandare“ genommen werden. Die Ergebnisse sind bekannt: Bilanzen bis unters Dach gefüllt mit Papieren zahlungsunfähiger Staaten. Diese Papiere werden immer noch zum Nennwert bilanziert. Und anschließend immer neue Milliarden an Garantienversprechen auf Kosten der Steuerzahler, weil so der Tag der Wahrheit noch etwas in die Ferne geschoben werden kann.

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Fundamentale Ursachen der steigenden Rohstoffpreise
Ich möchte Ihnen vorschlagen, die Situation einmal von einer anderen Seite her zu sehen. Wie wäre es, wenn die Explosion der Preise für Energie und Nahrungsmittel, die das Budget der Hauseigentümer sowie Wirtschaftswachstum und Steuereinnahmen gefährden, nicht etwa das finstere Werk bösartiger Spekulanten wäre, sondern einfach nur die Folge einer positiven Entwicklung, die mehreren hundert Millionen Menschen außerhalb der Länder, die sich für „entwickelt“ halten, nun Zugang zu hochwertiger Nahrung, Elektrizität und Mobilität ermöglicht.
Der Bedarf an Erdöl, Getreide, Tierfutter und Bio-Ethanol steigt dadurch natürlich. Da die Produktion von zusätzlicher Energie sowie von mehr und besseren Nahrungsmitteln große Investitionen erfordert, und zumindest bei Erdöl die Kosten der zusätzlich entwickelten Kapazitäten sehr hoch sind, steigen auch die Marktpreise für Benzin, Brot, Zucker, Reis, Soja, Milchprodukte und Fleisch.
Es drängt sich daher die Frage auf, warum mit all dem frischgedruckten Geld der Jahre 2008 bis 2011 nur ausgewählte Bankbilanzen und Staatshaushalte mit einem neuen Anstrich zu versehen wurden, und damit nicht etwa Staudämme, Bewässerungsanlagen und ähnliche Infrastrukturprojekte gebaut wurden, die zusätzliche Produktion von Energie und Nahrungsmitten ermöglichen könnten. Böse Zungen behaupten, dies sei deshalb nicht geschehen, weil dann die Gelder nicht in Europa geblieben wären.

2008 und 2011
Es ist jedoch seit 2008 nicht alles beim alten geblieben. Die Mächtigen aller Länder sind sich der Brisanz des Problems heute sehr viel bewusster als dies noch vor drei Jahren der Fall war. Das zeigt sich daran, daß heute niemand mehr auf die Idee kommt, die Krise künstlich zuzuspitzen. 2008 geschah das noch durch den Georgien-Krieg, der die Wahrscheinlichkeit einer langfristigen Blockade der Öl- und Gasexporte aus dem kaspischen Raum in sich trug. Dennoch sind die Rohstoffmärkte heute angespannter als vor drei Jahren.
Auch die politischen Folgen der explodierenden Nahrungsmittelpreise sind heute weitreichender als die Hungeraufstände 2008. Es zeichnet sich ein Zusammenbruch der staatlichen Strukturen ab, die nach der Zerschlagung des osmanischen Reiches von den europäischen Mächten in der arabischen Welt installiert worden waren. Und auch in einigen europäischen Ländern beobachten wir gewaltsame Unruhen.

Nahrungsmittel-Energie Preisspirale
Der wiederholte parallele Anstieg der Weltmarktpreise für Energie und Nahrungsmittel ist nicht zufällig. Vielmehr ergibt sich folgendes Bild: Nahrungsmittel steigen, weil der Wohlstand weltweit breiter verteilt wird. Mehr Menschen gute Ernährung und insbesondere auch mehr Fleischmahlzeiten erlauben können. Gleichzeitig steigt auch der Energieverbrauch für Autos, Klimaanlagen, Internet und Waschmaschinen. Das treibt die Energie-Preise. Verschärft wird die Verknappung von Energie in 2011 durch die Tatsachen, dass nach dem Tsunami in Japan sowohl in Deutschland als auch in Japan viele nuklearen Kraftwerke keinen Strom mehr produzieren, und in vielen anderen Ländern ein bisher geplanter Ausbau der Stromerzeugung durch Kernenergie fraglich geworden ist.

Wichtiger ist jedoch die Rückkopplungen zwischen den Preisen für Energie und Nahrungsmittel:

  1. Sobald die Preise für Energie eine gewisse Schwelle erreichen, lohnt sich die Energieerzeugung aus Agrarprodukten. Da aber eine Ausdehnung der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen teuer ist und auch viel Zeit in Anspruch nimmt, reduziert sich das Angebot an Nahrungsmitteln bei steigenden Energiepreisen. Dieser Effekt wird nachhaltig, weil die Investitionen in zusätzliche landwirtschaftliche Kapazitäten plötzlich unrentabel werden, wenn insbesondere die EU-Länder, also zum Beispiel Deutschland, in unregelmäßigen Abständen Produkte aus subventionierter landwirtschaftlicher Überproduktion zu Dumpingpreisen über den Weltmarkt ausschütten und damit jederzeit die Rentabilität teurer zusätzlicher landwirtschaftlicher Flächen bedrohen.
  2. Da viele, und vor allem auch einflussreiche Länder, die Erdöl produzieren, in großem Umfang auf Nahrungsmittel-Importe angewiesen sind, ist der Anreiz für diese Länder groß, die Ölförderung zu reduzieren, um mit dem durch höhere Preise eingenommenen Geld die Verbraucherpreise für Energie und Nahrungsmittel in ihrem Land zu subventionieren und so ihr politisches Überleben zu sichern.
  3. Die daraus resultierenden erneut steigenden Energiepreise verstärken wiederum den Anreiz, Agrarflächen aus der Nahrungsmittel-Produktion abzuziehen und zur Energie-Erzeugung zu verwenden.

Schlussfolgerung
Um die Preisspirale zwischen Energie und Nahrungsmitteln zu durchbrechen, und um den Anspruch möglichst vieler Menschen auf hochwertige Ernährung zu befriedigen, sind weltweit massive Investitionen notwendig. Natürlich werden diese Investitionen dort geschehen, wo die Voraussetzungen für Landwirtschaft optimal sind, also nicht unbedingt in Zentraleuropa. Das wird zu einer weiteren Verschiebung von Macht und relativem Reichtum weg von Europa führen. Dies ist jedoch unausweichlich.

Eurobonds

Was sind Eurobonds?
Der Begriff Eurobonds bezeichnet zunächst verbriefte Anleihen einer europäischen Institution. Das könnte die EU-Kommission sein, oder auch eine Europäische Finanzagentur. Eine solche Agentur könnte auch, sollten es die beteiligen Politiker so wollen, als „Europäischer Währungsfond“ getauft werden. Denkbarer Rahmen wäre die ganze EU oder auch nur die Euro-Gruppe

Europäische Steuern
Es gibt dabei jedoch ein kleines Problem: Das Versprechen der Rückzahlung von Staatsanleihen basiert auf zukünftigen Steuereinnahmen des betreffenden Staates. Es gibt aber keine Institution auf europäischer Ebene, die Steuern eintreiben kann, oder auch nur das Recht hätte, Steuern zu erheben.
Für Eurobonds als Quasi-Staatsanleihen müssten also zunächst eine von zwei Bedingungen erfüllt werden: Entweder müsste die EU das Recht erhalten, Steuern zu erheben, oder die Anleihen müssten von den beteiligten Staaten garantiert werden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Merkel eine solche Blanko-Garantie mit unbegrenzter Geltungsdauer abgeben wollte oder auch nur könnte. Ein EU-Aufschlag auf die Mehrwertsteuer wäre dagegen technisch leicht machbar. Und er würde auch nicht automatisch eine Steigerung der Staatsquote in den EU-Staaten mit sich bringen, da sich ja im Gegenzug die Beiträge der nationalen Regierungen zum EU-Haushalt reduzieren könnten.

Ausgestaltung und Auswirkungen von Eurobonds
Ich will für diesen Artikel einmal annehmen, es könnte entweder Garantien oder ein Besteuerungsrecht der EU zur Absicherung von Eurobonds geben. Wie könnten solche Bonds dann ausgestaltet werden, und wie würde sich das auf das Leben in Europa auswirken?
Zur Ausgestaltung von Regeln rund um Eurobonds mit dem Ziel, die Eurokrise zu entschärfen, wurden u.a. von dem Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Junker Regeln ins Gespräch gebracht, die in die folgende Richtung gehen:

  1. Teilnehmende Staaten, die einen Teil ihres Staatshaushaltes mit Hilfe europäischer Institutionen finanzieren möchten, verpflichten sich, eigene Staatsanleihen nur dann auszugeben, wenn in den entsprechenden Verträgen die der Vorrang von Forderungen der europäischen Finanzagentur vor diesen dann nachrangigen Bonds festgeschrieben wird.
  2. Die Gläubiger solcher nachrangigen Bonds erhalten jedoch das Recht, diese gegen Bonds der europäischen Finanzagentur einzutauschen, wenn die Hälfte der Laufzeit verstrichen ist. Bei einem solchen Umtausch gäbe es einen Abschlag des Nennwertes entsprechend der dann herrschenden Bedingungen am Markt (z.B. dem Preis von Credit Default Swaps auf die getauschten Wertpapiere), und die umgetauschten Papiere würden zu den für die europäische Finanzagentur gültigen Zinsen ausgegeben.
  3. Unter diesen Bedingungen können die beteiligten Staaten bis zu 50% ihres jeweiligen Bruttoinlandproduktes (BIP) an Krediten aufnehmen. Diese refinanziert sich an den Kapitalmärkten durch die Ausgabe von Eurobonds und berechnet einen Zinsaufschlag von 50 bis 100 Basispunkten wenn sie das Geld weiter verleiht. Sie nutzt diesen Aufschlag um ihre Kosten zu decken, und um eine Reserve anzulegen, die wiederum ihre Bonität erhöht und somit zu niedrigeren Zinsen am Markt für Eurobonds führt.
  4. Wenn der Schuldenstand eines Staates bei der Europäischen Finanzagentur 45% des Bruttoinlandsproduktes übersteigt, werden Verhandlungen zwischen der betroffenen Regierung und der Europäischen Finanzagentur aufgenommen, um das Problem zu entschärfen. Wenn der Schuldenstand eines Landes bei der Europäischen Finanzagentur auf 55% oder mehr des BIP steigt, z.B. weil Besitzer von direkten Staatsanleihen des betroffenen Staates diese gegen Eurobonds eintauschen, bedarf der Staatshaushalt des betreffenden Landes der Genehmigung der Europäischen Finanzagentur. Das würde den Verlust eines Kernbestandteiles der Souveränität des betreffenden Staates mit sich bringen, und wäre somit ein starker Anreiz, großen Abstand von dieser Schwelle zu halten.

Auswirkungen auf Europa:
Mit einem solchen System würde ein breiter und tiefer Markt für Eurobonds geschaffen, der vermutlich 40% oder mehr des Bruttoinlandsproduktes der Euro-Staaten ausmachen würde. Dieser Markt wäre super liquide und von hervorragender Bonität. Daraus könnte sich endlich wieder eine Messlatte ergeben, die man für die Festlegung der Eigenkapital-Anforderungen kommerzieller Banken nutzen könnte. Die offensichtlich willkürliche Notlüge, dass alle Staatsanleihen automatisch risikolos seien, wäre nicht mehr notwendig. Das europäische Bankensystem könnte auf diese Weise seine Glaubwürdigkeit wieder erlangen.

Auswirkung auf die notleidenden Euroländer
Länder wie Griechenland könnten ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Dank der Eurobonds könnten sie auch nach einem Zahlungsausfall bei ihren vorhandenen Schulden noch weiter funktionieren. Daher können sie einen Teil ihrer Kreditlinie bei der Europäischen Finanzagentur dazu verenden, um ihren aktuellen Gläubigern einen Vergleich anzubieten: Eine Ablösung der bestehenden Schulden durch eine Einmalzahlung in Höhe von vielleicht 25% oder 30% des Nennwertes. Diese Zahlung könnten Sie durch die Kreditlinie bei der Europäischen Finanzagentur leisten. Die Verschuldung ließe sich damit auf weniger als 50% des jeweiligen BIP reduzieren, und die Zinslast würde zusätzlich sinken, weil die Verzinsung der Schulden bei der Europäischen Finanzagentur auch bei einem Aufschlag von 100 Basispunkten auf den Zinssatz der Eurobonds niedriger wäre als die Zinsen, die sie jetzt bezahlen müssen. Damit bekämen die jetzt eingeleiteten Sanierungsprogramme dieser Staaten eine echte Aussicht auf Erfolg.

Auswirkungen solcher Eurobonds auf Deutschland
Da Deutschland theoretisch nicht gezwungen wäre, Schulden über die Europäische Finanzagentur zu machen, müsste es auch den Zinssatz für Eurobonds plus 100 Basispunkte nicht bezahlen. Allerdings würden die Zinsen für Bundesanleihen steigen. Nicht dass sich die Bonität des deutschen Staates verschlechtern würde, diese würde sich eher verbessern. Vielmehr bekämen die Anleger eine Möglichkeit, statt Bundesanleihen ebenfalls risikoarme Eurobonds zu kaufen. Ich bin sicher, dass Bundesanleihen im Moment nicht vor allem aus dem Grund gekauft werden, dass sie von Anlegern geliebt werden. Vielmehr kaufen Anleger Bundesanleihen, weil sie andere Anlagen noch mehr hassen als die Möglichkeit, ihr Kapital dem deutschen Staat zu einem realen Zinssatz (Rendite minus Inflationsrate) von weniger als einem Prozent zur Verfügung zu stellen. Merkel und Schäuble mögen zwar diese augenblickliche Situation genießen, jedoch kann sie nicht von Dauer sein.
Im Gegenzug könnte aber die Bundesregierung dem Zwang entfliehen, im Endeffekt zusammen mit einer Handvoll weiterer Staaten praktisch alle Schulden aller Eurostaaten zu garantieren. Das ist ein großes Plus. Am Beispiel Irland konnte man vor einigen Wochen besichtigen, wohin es führt, wenn ein an sich finanziell kerngesunder Staat Garantien abgibt, die er nur einlösen kann, solange das niemand von ihm fordert.
Merkel würde allerdings mit einem System aus Eurobonds und einer Europäischen Finanzagentur die Möglichkeit einbüßen, als Macholine über Ihr Vetorecht bei immer neuen „Rettungsaktionen“ anderen Regierungen politische Bedingungen zu stellen.

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Spiel mit dem Feuer

Super-Clever
Mir scheint, daß es einige Damen und Herren auf der Ebene der Staats-und Regierungschefs der EU gab, die sich besonders clever vorkommen. Sie glauben, ein kontrollierter Brand könnte ihnen helfen, die EU zu dominieren.

Die Methode:
Mit einer Diskussion, die impliziert, daß der europäische „Rettungschirm“ nicht über die drei Jahre hinaus verlängert wird, und daß EU-Staaten ihre Schulden nicht vertragsgemäß zurückzahlen müssen, wenn ihnen das Probleme bereitet („Kreditgeber an den Rettungskosten beteiligen“) könnte man eine neue begrenzte Eskalation der europäischen Schuldenkrise erreichen.

Das Ziel:
Man könnte damit QE2 der FED beantworten und ein Steigen des Eurokurses gegenüber dem Dollar in Grenzen halten. Gleichzetig könnte man Irland zwingen, Steuern auf Einkommen und Unternehmensgewinne zu erhöhen, ein lang gehegter Traum.

Das Feuer:
Die Iren können „nein“ sagen, denn sie brauchen im Moment kein Geld. Dann müssten Merkel und Sarkozy versuchen, die EZB zu zwingen, den irischen Banken den geldhahn zuzudrehen. Trichet könnte im Zweifelsfall diesem Vorschlag aber auch hinsichtlich West-LB und HRE folgen. Beide haben – im Gegensatz zu den irischen Banken – nicht einmal ein funktionierendes Geschäftsmodell.

Der Brandbeschleuniger:
FED und Bank of England könnten, direkt oder indirekt, irische Banken gegen den Willen der Euro-Riesen stützen und damit Irland ermöglichen, aus der Euro-Zone auszubrechen.

Der Unterschied
Irland war vor der Finanzkrise wirtschaftlich gesund und hat grundsätzlich eine funktionierende Wirtschaft. Das Problem der irischen Staatsfinanzen stammt aus der Dummheit einer einzigen Nacht, in der die irische Regierung erklärt hat, daß sie die Verbindlichkeiten sämtlicher Banken in Irland unbegrenzt garantieren würde.
Bei anderen Staaten in der Eurozone liegen die Probleme tiefer.