Neue Phase der Wirtschaftskrise

Die Wirtschaftskrise hat eine neue Phase erreicht:
Die Milliardenversluste der Banken waren bisher mit keinem aktuellen negativen Cashflow verbunden. Vielmehr handelte es sich darum, anzuerkennen, daß vergossene Milch vergossen war. Dadurch konnte die Regierung auch leicht verschiedenen Banken 10 oder auch 80 Milliarden Euro geben, die sie nicht hatte. Es ging in Wirklichkeit darum, die Bilanzen zu verschönern.
Beispiel: Die Regierung gibt einer Bank sagen wir 10 Milliarden Euro Eigenkapitalhilfe. Die Bank benutzt das Geld sofort, um damit Bundesanleihen zu kaufen. Unter dem Strich ist aber kein geld geflossen, denn die Bank hat jetzt 10 Milliarden Euro Eigenkapital zusätzlich, angelegt in angeblich risikolosen Bundesanleihen. Diese können voll auf die vorgeschriebene Sicherheitsreserve der Banken in Höhe von mindestens 4% der Bilanzsumme angerechnet werden. Die Bankenaufsicht nimmts erfreut zur Kenntniss.

Das ist, was war. Aber jetzt kommt eine neue Welt. Ein Industriebetrieb wie Opel oder ein Handelsbetrieb wie Arcandor macht Verluste. Das sind dann jeden Tag Millionen von Euro, die tatsächlich den besitzer wechseln, und für die eine Kreditlinie in Anspruch genommen wird. Für die Bank bedeutet das: Geld aus der sichersten Anlageform, nämlich Cash, wird in einen riskanten Kredit für ein Unternehmen mit fragwürdiger Zukunft verwandelt. Dieses Geld steht somit nicht mehr für die Risiko-Reserve zur Verfügung, und gleichzeitig ist die Bank einem höheren Risiko ausgesetzt.

Wenn nun viele Frimen gleichzeitig auf ihnen vertraglich zugesicherten Kreditlinien zurückgreifen, kann es passieren, daß die Sicherheits-Reserve einer Bank wie ein Stück Eis in der Tropensonne wegschmilzt, obwohl die Bank in diesem Moment genau genommen keinen Verlust macht. Im Extremfall entsteht massiver Abfluß aus der Sicherheitseserve der Bank. Dieser fällt im Rahmen des täglichen Zahlungsverkehrs an. Es besteht dann der große Anreiz, daß Banken den Zahlungsverker verlangsamen. Eine Überweisung dauert dann wieder 7 Tage, anstatt der bisher üblichen zwei Tagen. In der Zwischenzeit sichert sich die eine oder andere Bank den notwendigen Level ihrer Sicherheits-Reserve mit dem Geld, das überwiesen werden soll.
Damit wird auch wird das notwendige Vertrauen erschüttert. Was passiert, wenn ein Kunde mit einer Überweisung eine Rechnung bezahlt hat, das Geld aber nicht angekommen, weil eine Bank, die das Geld einen Tag zwischengelagert hat, just an jenem Tag von der Bankenaufsicht geschlossen wird? Und wie verhält sich eine Bank, die solches von ihrer Partnerbank befürchtet?

Bankaufseher setzen WestLB-Eigner unter Druck (bei Handelsblatt.com am 09.06.2009 veröffentlicht)

Ausblick: Nach der Krise

Auch wenn wir noch lange mit den Folgen dieser Finanzkrise zu kämpfen haben werden, kann man doch schon das eine oder andere über die Welt danach sagen:

  • Die Papierwährungen Euro und Dollar werden zwar als Verrechnungseinheit weiter existieren, haben sich aber als Wertspeicher gründlich diskreditiert.
  • Der Mythos, daß Staatsanleihen, wenigstens der USA und Deutschlands, risikolose Vermögensanlagen seien, wurde als Mythos enttarnt.

Papiergeld verliert an Vertrauen
Papierwährungen können kein universaler Wertspeicher mehr sein, weil sich herausgestellt hat, daß die Regierungen und Zentralbanken die Möglichkeit haben, den Wert der Währungen massiv zu manipulieren, und dies im Zweifelsfall auch tun, wenn ein politisches Ziel nur wichtig genug ist.
Ich sage nicht, daß es falsch war, daß die Regierungen wenigstens die grundsätzlichen Funktionen des Bankensystems durch massive Manipulationen abgesichert haben. Aber es hat doch zu einem politschen „pick the winner“ geführt. (Und zur Bestrafung derer, die diese staatlichen Zuwendungen an ihre Konkurrenz mit ihren Steuern bezahlen müssen.)

Dramatische Verluste mit angeblich risikolosen Geldanlagen
Viele Menschen haben durch diese Aktionen wichtige Ersparnisse verloren. Das trifft insbesondere jene, die bei ihrer Altersvorsorge massiv auf langfristige Staatsanleihen gesetzt haben. Mit den bald notwendig werdenden Zinserhöhungen, und mit der fast unvermeidlichen Inflation (wegen der massiven Geldschöpfung in Europa und USA) werden diese Papiere noch viel mehr von ihrem Wert verlieren.

Keine langsfristigen Kreditfinanzierungen
Wenn aber der tatsächliche Wert eines Dollars oder eines Euros in 10 Jahren nicht mehr vorhersehbar ist, wird auch eine Kreditfinanzierung über einen solchen Zeitraum so gut wie unmöglich. Wer verleiht schon seine Ressourcen, wenn er nicht den Wert dessen abschätzen kann, was er zurück bekommt.

Eigenkapital und Cash Flow
Das bedeutet für Unternehmen, groß oder klein, daß Eigenkapital-Finanzierung sehr viel wichtiger wird, und daß jeder seinen Cash-Flow mit Agurs-Augen überwachen wird.
Übersetzt in die Touristik bedeutet dies, daß Yield Managment Konzepte sich noch viel weiter ausbreiten werden, insbesondere auch bei Hotels. (Bei Flugzeugen und Kreuzfahrtschiffen geht es bereits jetzt nicht mehr ohne Yield Management Systeme). Damit wird das System der Vermarktung über Kataloge mit Preisen, die bereits im Vorjahr je nach Gespür des Produktmanagers vorgegeben wurden, noch mehr in Frage gestellt.

Der Staat verliert an finanzieller Macht
Ähnliches trifft auch für den Staat zu. Die Regierungen werden nicht mehr beliebig viel Geld von den Finanzmärkten bekommen. Sie müssen das Geld entweder drucken, oder als Steuern eintreiben. Drucken von Geld bewirkt mehr Inflation, höhere Zinsen (auch für die Regierung), eine Schwächung des Wechselkurses und damit höhere Einfuhrpreise. Geht eigentlich nicht.
Dann bleiben höhere Steuern. Wenn aber auch die Steuerzahler nur noch kurzfristige Kredite bekommen, wirken sich höhere Steuern direkt auf die Investitionsausgaben und damit auf das Wirtschaftswachstum negativ aus. So können höhere Steuern im Einzelfall sogar zu niedrigeren Staatseinnahmen führen. Damit wird klar, daß der finanzielle Handlungs-Spielraum des Staates in den nächsten Jahren deutlich eingeschränkt sein wird. (Mancher wird das begrüßen. Andere werden es bedauern, da jeder Euro zusätzliche Staatsausgabe ein Euro mehr Macht für Politiker ist)

Fazit:
Für die überschaubare Zukunft wird Cash Flow und Eigenkapital König sein. Das ergibt eine Prämie auf Flexibilität und kurze Entscheidungswege, die mehr im Mittelstand zuhause sind. Der Staat wird versuchen, soviel Steuern wie irgend möglich einzunehmen – und wird trotzdem zu Ausgaben oftmals nein sagen müssen.