Eurobonds

Was sind Eurobonds?
Der Begriff Eurobonds bezeichnet zunächst verbriefte Anleihen einer europäischen Institution. Das könnte die EU-Kommission sein, oder auch eine Europäische Finanzagentur. Eine solche Agentur könnte auch, sollten es die beteiligen Politiker so wollen, als „Europäischer Währungsfond“ getauft werden. Denkbarer Rahmen wäre die ganze EU oder auch nur die Euro-Gruppe

Europäische Steuern
Es gibt dabei jedoch ein kleines Problem: Das Versprechen der Rückzahlung von Staatsanleihen basiert auf zukünftigen Steuereinnahmen des betreffenden Staates. Es gibt aber keine Institution auf europäischer Ebene, die Steuern eintreiben kann, oder auch nur das Recht hätte, Steuern zu erheben.
Für Eurobonds als Quasi-Staatsanleihen müssten also zunächst eine von zwei Bedingungen erfüllt werden: Entweder müsste die EU das Recht erhalten, Steuern zu erheben, oder die Anleihen müssten von den beteiligten Staaten garantiert werden.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass Merkel eine solche Blanko-Garantie mit unbegrenzter Geltungsdauer abgeben wollte oder auch nur könnte. Ein EU-Aufschlag auf die Mehrwertsteuer wäre dagegen technisch leicht machbar. Und er würde auch nicht automatisch eine Steigerung der Staatsquote in den EU-Staaten mit sich bringen, da sich ja im Gegenzug die Beiträge der nationalen Regierungen zum EU-Haushalt reduzieren könnten.

Ausgestaltung und Auswirkungen von Eurobonds
Ich will für diesen Artikel einmal annehmen, es könnte entweder Garantien oder ein Besteuerungsrecht der EU zur Absicherung von Eurobonds geben. Wie könnten solche Bonds dann ausgestaltet werden, und wie würde sich das auf das Leben in Europa auswirken?
Zur Ausgestaltung von Regeln rund um Eurobonds mit dem Ziel, die Eurokrise zu entschärfen, wurden u.a. von dem Vorsitzende der Euro-Gruppe Jean-Claude Junker Regeln ins Gespräch gebracht, die in die folgende Richtung gehen:

  1. Teilnehmende Staaten, die einen Teil ihres Staatshaushaltes mit Hilfe europäischer Institutionen finanzieren möchten, verpflichten sich, eigene Staatsanleihen nur dann auszugeben, wenn in den entsprechenden Verträgen die der Vorrang von Forderungen der europäischen Finanzagentur vor diesen dann nachrangigen Bonds festgeschrieben wird.
  2. Die Gläubiger solcher nachrangigen Bonds erhalten jedoch das Recht, diese gegen Bonds der europäischen Finanzagentur einzutauschen, wenn die Hälfte der Laufzeit verstrichen ist. Bei einem solchen Umtausch gäbe es einen Abschlag des Nennwertes entsprechend der dann herrschenden Bedingungen am Markt (z.B. dem Preis von Credit Default Swaps auf die getauschten Wertpapiere), und die umgetauschten Papiere würden zu den für die europäische Finanzagentur gültigen Zinsen ausgegeben.
  3. Unter diesen Bedingungen können die beteiligten Staaten bis zu 50% ihres jeweiligen Bruttoinlandproduktes (BIP) an Krediten aufnehmen. Diese refinanziert sich an den Kapitalmärkten durch die Ausgabe von Eurobonds und berechnet einen Zinsaufschlag von 50 bis 100 Basispunkten wenn sie das Geld weiter verleiht. Sie nutzt diesen Aufschlag um ihre Kosten zu decken, und um eine Reserve anzulegen, die wiederum ihre Bonität erhöht und somit zu niedrigeren Zinsen am Markt für Eurobonds führt.
  4. Wenn der Schuldenstand eines Staates bei der Europäischen Finanzagentur 45% des Bruttoinlandsproduktes übersteigt, werden Verhandlungen zwischen der betroffenen Regierung und der Europäischen Finanzagentur aufgenommen, um das Problem zu entschärfen. Wenn der Schuldenstand eines Landes bei der Europäischen Finanzagentur auf 55% oder mehr des BIP steigt, z.B. weil Besitzer von direkten Staatsanleihen des betroffenen Staates diese gegen Eurobonds eintauschen, bedarf der Staatshaushalt des betreffenden Landes der Genehmigung der Europäischen Finanzagentur. Das würde den Verlust eines Kernbestandteiles der Souveränität des betreffenden Staates mit sich bringen, und wäre somit ein starker Anreiz, großen Abstand von dieser Schwelle zu halten.

Auswirkungen auf Europa:
Mit einem solchen System würde ein breiter und tiefer Markt für Eurobonds geschaffen, der vermutlich 40% oder mehr des Bruttoinlandsproduktes der Euro-Staaten ausmachen würde. Dieser Markt wäre super liquide und von hervorragender Bonität. Daraus könnte sich endlich wieder eine Messlatte ergeben, die man für die Festlegung der Eigenkapital-Anforderungen kommerzieller Banken nutzen könnte. Die offensichtlich willkürliche Notlüge, dass alle Staatsanleihen automatisch risikolos seien, wäre nicht mehr notwendig. Das europäische Bankensystem könnte auf diese Weise seine Glaubwürdigkeit wieder erlangen.

Auswirkung auf die notleidenden Euroländer
Länder wie Griechenland könnten ihre Handlungsfähigkeit zurückgewinnen. Dank der Eurobonds könnten sie auch nach einem Zahlungsausfall bei ihren vorhandenen Schulden noch weiter funktionieren. Daher können sie einen Teil ihrer Kreditlinie bei der Europäischen Finanzagentur dazu verenden, um ihren aktuellen Gläubigern einen Vergleich anzubieten: Eine Ablösung der bestehenden Schulden durch eine Einmalzahlung in Höhe von vielleicht 25% oder 30% des Nennwertes. Diese Zahlung könnten Sie durch die Kreditlinie bei der Europäischen Finanzagentur leisten. Die Verschuldung ließe sich damit auf weniger als 50% des jeweiligen BIP reduzieren, und die Zinslast würde zusätzlich sinken, weil die Verzinsung der Schulden bei der Europäischen Finanzagentur auch bei einem Aufschlag von 100 Basispunkten auf den Zinssatz der Eurobonds niedriger wäre als die Zinsen, die sie jetzt bezahlen müssen. Damit bekämen die jetzt eingeleiteten Sanierungsprogramme dieser Staaten eine echte Aussicht auf Erfolg.

Auswirkungen solcher Eurobonds auf Deutschland
Da Deutschland theoretisch nicht gezwungen wäre, Schulden über die Europäische Finanzagentur zu machen, müsste es auch den Zinssatz für Eurobonds plus 100 Basispunkte nicht bezahlen. Allerdings würden die Zinsen für Bundesanleihen steigen. Nicht dass sich die Bonität des deutschen Staates verschlechtern würde, diese würde sich eher verbessern. Vielmehr bekämen die Anleger eine Möglichkeit, statt Bundesanleihen ebenfalls risikoarme Eurobonds zu kaufen. Ich bin sicher, dass Bundesanleihen im Moment nicht vor allem aus dem Grund gekauft werden, dass sie von Anlegern geliebt werden. Vielmehr kaufen Anleger Bundesanleihen, weil sie andere Anlagen noch mehr hassen als die Möglichkeit, ihr Kapital dem deutschen Staat zu einem realen Zinssatz (Rendite minus Inflationsrate) von weniger als einem Prozent zur Verfügung zu stellen. Merkel und Schäuble mögen zwar diese augenblickliche Situation genießen, jedoch kann sie nicht von Dauer sein.
Im Gegenzug könnte aber die Bundesregierung dem Zwang entfliehen, im Endeffekt zusammen mit einer Handvoll weiterer Staaten praktisch alle Schulden aller Eurostaaten zu garantieren. Das ist ein großes Plus. Am Beispiel Irland konnte man vor einigen Wochen besichtigen, wohin es führt, wenn ein an sich finanziell kerngesunder Staat Garantien abgibt, die er nur einlösen kann, solange das niemand von ihm fordert.
Merkel würde allerdings mit einem System aus Eurobonds und einer Europäischen Finanzagentur die Möglichkeit einbüßen, als Macholine über Ihr Vetorecht bei immer neuen „Rettungsaktionen“ anderen Regierungen politische Bedingungen zu stellen.

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