Reiseveranstalter im Zeitalter des Internet

Ist das Geschäftsmodell der Reiseveranstalter obsolet?

Wie wirkt sich das Internet auf das das Geschäftsmodell der Reiseveranstalter in Deutschland aus? Um das zu klären, möchte ich zunächst einige Worte zum traditionellen Geschäftsmodell der Reiseveranstalter, vor der Zeit des Internets, verlieren.

Massiver Geldsegen für Reiseveranstalter durch Zugangskontrolle zum Urlaubsgebiet

Reiseveranstalter waren die einzige Brücke zwischen dem Urlauber und dem Anbieter touristischer Dienstleistungen in den Urlaubsgebieten, die weder mit dem Auto noch mit der Bahn erreichbar waren. Sie konnten den Marktzugang für die Urlaubsgebiete regulieren, und ohne TUI & CO kam auch niemand zu einem vernünftigen Preis und ohne Umsteigen nach Mallorca, Tobago oder auch Mombasa. Weder der Urlauber noch die Zielregionen kamen am Reiseveranstalter vorbei. Dieser war in einer enorm starken Position, wenn es darum ging, Rabatte bei Hotels auszuhandeln, und er hatte keine Veranlassung, diese Rabatte an den Endkunden weiterzugeben, denn der Kunde wäre ohne einen Reiseveranstalter mit seine Charterflugzeugen nicht zum Hotel gekommen.

Aufgeblähter Vertrieb

Reiseveranstalter nutzten den Geldsegen, der sich aus ihrer strategischen Position ergab, um ein aufwendiges Vertriebssystem mit dicken Provisionen für Reisebüros, üppigen Katalogen auf Hochglanzpapier in hohen Auflagen und teurer Werbung auf Plakaten und im Fernsehen aufzubauen. Alle waren glücklich. Der Urlauber kam in die weite Welt hinaus, in den Zielgebieten wurden die Hotels gefüllt, und die Reiseindustrie erfreute sich an einem Geldsegen, der seinesgleichen suchte.

Billigflieger brechen das Oligopol

Und nun kam das Internet daher. Es ermöglichte dem Reiseveranstalter und dem Reisebüro eine unglaubliche Vereinfachung der Kommunikation durch internet-basierte Reservierungssysteme. Aber es ermöglichte auch den Leistungsträgern in den Feriengebieten am Reiseveranstalter vorbei ihre Produkte direkt dem Kunden anzubieten. Das taten zuerst die Fluggesellschaften. Firmen wie Ryanair und Air Berlin bringen heute den Urlauber in die Feriengebiete zumindest rund ums Mittelmeer, ohne den Reiseveranstalter um Erlaubnis zu fragen.

Euro und Kreditkarten

Diese Entwicklung wurde durch die Einführung des Euro verstärkt. Durch das Internet wurde es außerdem möglich, daß praktisch jeder eine Kreditkarte bekommen kann. Damit steht nun ein internationales Zahlungsmittel zur Verfügung, mit dem der Kunde dem Hotel und der Mietwagenfirma an seinem Urlaubsziel zumindest die Stornogebühr garantieren konnte. Mit der Gatekeeper-Funktion der Reiseveranstalter ist es nun vorbei.

Expedia & co

Hinzu kamen neue Anbieter für Pauschalreisen, wie z.B. Expedia, die das Internet auch zur Kommunikation mit dem Endkunden nutzten, aber anders als die traditionelle Reiseveranstalter keinen aufgeblähten Vertrieb hatten, und somit einen enormen Kostenvorteil gegenüber dem herkömmlichen Reisevertrieb ausspielen konnte.

Ungeahnte Markt-Transparenz

Eine Reise ist doch ein recht kompliziertes Produkt, und so kann ein persönliches Gespräch zwischen dem Kunden und dem Verkäufer durchaus den Unterschied zwischen einem gelungenen Urlaub und einem Alptraum ausmachen. Daher hatten die Internet-Reiseveranstalter nur mäßigen Erfolg. Aber allein Ihre Anwesenheit bewirkte, daß insbesondere Reisebüros Ihre Angebote auch ins Netz stellen mußten, und sei es nur um der Behauptung eines Reise-Anbieters im Internet, es sei bei sofortiger Buchung nachts um halb drei um 10% günstiger als das Reisebüro, Lügen zu strafen, bevor die Buchung gemacht war. Also kamen Datebanken auf den Markt, über die ein Großteil des Inhalts der vorher internen Buchungs-Systeme veröffentlicht wurde. Dies führte zu einer Standardisierung der Reiseangebote und zu einem massiven Preisdruck, da ein Kunde bei zwei Angeboten für Reisen am selben Tag ins selbe Hotel mit derselben Zimmerkategorie natürlich den Reiseveranstalter auswählt, der, sei es auch nur um 10 Euro, preisgünstiger ist.

Hohe Verluste: Zwang zur Veränderung

Die fetten Jahre der Reiseindustrie waren somit vorbei. Reiseveranstalter kürzten die Provisionen der Reisebüros massiv, und machten in manchen Jahren dennoch sehr hohe Verluste. Sie versuchten Ihre Produkte selbst über das Internet direkt an den Kunden zu bringen, und brachten damit den Vertrieb massiv gegen sich auf. Gleichzeitig hatten Reisebüros nun viel mehr Möglichkeiten, eigene Produkte wie Gruppenreisen anzubieten, da sie ja nun bei den Flügen nicht mehr auf die Duldung der großen Reiseveranstalter angewiesen waren. Das war der Stand der Dinge etwa im Jahr 2006.

Hohe Ölpreise mischen Airlines auf

Danach hat eine massive Erhöhung der Ölpreise zu einem neuen Kostenschub speziell bei den Fluggesellschaften geführt. Es gibt eine Markt-Konsolidierung bei den Airlines, und es ist noch nicht abzusehen, wie der Markt für Flugreisen in ein oder zwei Jahren aussehen wird. Man kann aber annehmen, daß Strecken stillgelegt werden, und die Ferienflieger nicht mehr bereit sein werden, das Risiko für Flüge in manche Urlaubsgebiete alleine zu übernehmen. Dadurch wird Urlaub abseits der großen Flughäfen, die auch leicht mit Linienflügen erreichbar sind, wieder sehr viel teurer werden. Und es ist durchaus wahrscheinlich, daß für diese Reiseziele echte Charterflüge wieder wichtig werden, und manche Reiseveranstalter einen Teil ihrer Kontrolle über den Marktzugang wieder zurückbekommen.

Neue Marktsegmente: Neue Chancen

Eine große Zahl von preissensiblen Urlaubern werden sich jedoch notgedrungen in ihren Reisezielen umorientieren müssen. Diese werden dann statt in Kenia Urlaub zu machen, nach Dubai fliegen. Statt eines kleinen Gästehauses auf einer griechischen Insel wird es ein Hotel werden, das vom internationalen Flughafen in Tunis aus erreichbar ist.
Bei diesen Destinationen werden sich Reiseveranstalter und Reisebüros einem ruinösen Wettbewerb ausgesetzt sehen, denn hier kann der Kunde ganz ohne Reisevertrieb auskommen. Er kann den Flug direkt bei der Airline buchen, vollautomatisch mit minimalen Prozeßkosten für die Airline. Das Hotel kann er über das Internet reservieren. Urlauber, die nur Flug, Strand und Hotel suchen, Hauptsache weg vom Alltag, werden in einigen Jahren weder Reisebüro noch Reiseveranstalter benötigen.

Reisebüros im Internet

Schließen sich Reisebüro und Internet auf Dauer aus, oder wird es weiterhin unabhänige Reisebüros geben?

Die Frage ist berechtigt: Auch in der Reiseindustrie ist der Konkurrenzdruck so stark gewachsen, daß sich niemand mehr komplizierte Prozesse erlauben kann, wo es auch einfach geht. Der Grund dafür ist nicht zuletzt die enorm gestiegene Transparenz des Marktes, die wir zu einem großen Teil dem Internet verdanken.

So wie es keine Tankstellen ohne Selbstbedienung mehr gibt, wird es auch kein Reisebüro mehr geben, das Dienstleistungen manuell erbringt, die genausogut oder besser vom Kunden selbst in einem automatisierten Prozeß erbracht werden können. Es wird also auf Dauer kein Reisebüro mehr geben können, das sich darauf bechränkt, für einen Reisewunsch des Kunden aus einem Pool von 5 Veranstaltern das günstigste Angebot herauszusuchen. Wenn Sie dies als wichtigste Funktion eines Reisebüros sehen, dann werden Sie zu dem Schluß kommen, daß Reisebüro und Internet ein Gegensatz ist – und daß sich kein Reisebüro gegen das Internet behaupten kann.

Die Tatsache, daß wir ein Internet-Reisebüro betreiben, besagt aber, daß ich einen anderen Weg sehe: Das Internet ist nicht Gegner des Reisebüros, sondern eine große Hilfe. Ich will, um dies zu erklären, die Software-Branche als Beispiel nehmen. Es gibt dort standardisierte Produkte, wie z.B. Windows oder Microsoft Office, die ohne Beratung in – zugegebenermaßen auf Computer spezialisierten – Supermärkten, aber auch über den Versandhandel z.B. für Bücher oder Büroartikel vertrieben werden. Diese Produkte werden als Pakete wie Waschmittel verkauft. Wer es geöffnet hat, muß es bezahlen und mitnehmen. Niemand weiß genau wie es funktioniert. Aber zusammen mit der richtigen Waschmaschine bringt das Waschpulver das gewünschte Ergebnis, und zusammen mit dem richtigen Computer ermöglicht uns die standardisierte Software, was wir sonst niemals erreichen könnten.

Wenn wir nun die Augen aufmachen, finden wir schnell heraus, daß es Waschmaschinen und Wäscherei gibt. Ebenso gibt es Windows und Linux. Heißt das am Ende, daß es auch Reisebüro und Internet weiter geben wird?

Und noch etwas fällt auf: Wäschereien gaben Waschmaschinen. Wer einen Linux-Apache Webserver administriert, hat aller wahrscheinlich auch einen Windows-PC. Und wer bei McDonalds ißt, hat mit einiger Wahrscheinlichkeit auch einen Herd zuhause.

Ich meine also: Reisebüro und Internet wird es weiter geben, aber Reisebüros ohne Internet kann es schon heute nicht mehr geben. Aber auch solche Reisebüros, die das Internet nur für die Kommunikation mit Leistungsträgern, zum Beispiel über Reservierungssysteme, nutzen, wird es nicht mehr lange geben.

Wenn der Kunde eine Pauschalreise oder einen einfachen Flug möchte, wird er diese direkt beim Reiseveranstalter oder bei der Fluggesellschaft buchen. Denn damit wird ein automatisierter Prozeß möglich, der sogar weiter geht, als bei der SB-Tankstelle. Reservierung, Buchung und Bezahlung werden vollständig automatisiert. Ein Mensch greift nur noch ein, wenn eine Fehlermeldung auftritt. Bei einer Buchung über ein Reisebüro auf der Straße hat der Reiseverkäufer mindestens 15 Minuten zu tun, bis er herausgefunden hat, welche reise der Kunde eigentlich will. Dann muß er buchen. Anschließend müssen mindestens 2 Rechnungen geschrieben werden, und 2 Zahlungsprozesse überwacht werden: Entweder bezahlt der Kunde an das Reisebüro, und das Reisebüro an den Veranstalter, oder der Kunde bezahlt an den Veranstalter, und dieser bezahlt die Provision an das Reisebüro. Dieser komplizierte Prozeß, zusammen mit den dafür notwendigen Reservierungs-Systemen, drückt sich zwangsläufig im Preis aus. Wer nicht in der Lage ist, seinen Kunden für diesen höheren Preis einen entsprechend höheren Wert zu liefern, für den wird Reisebüro und Internet ein tödlicher Gegensatz sein..

Wie es einfach unmöglich ist, daß eine kleine Firma erfolgreich mit Microsoft Windows konkurrieren kann. Aber es gibt dennoch kleine IT-Unternehmen, die gutes Geld verdienen. Diese arbeiten mit Open Source Programmen, die auch für den Kunden kostenlos zugänglich sind. Aber diese IT-Firmen, wissen, wo es diese Programme gibt, was sie können, und wie sie kombiniert werden können, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Sie entwickeln auf dieser Grundlage entweder eigene Produkte, wie z.B. eShops, bieten auf dieser Grundlage einen eigenen Service an, wie z.B. die Reservierungssysteme für die Reiseindustrie, oder Sie bauen aus diesen kostenlosen Programmen auf die speziellen Bedürfnisse Ihrer Kunden zugeschnittene Lösungen.

Eine ähnliche Struktur sehe ich für den Reisevertrieb kommen: Standardisierte Produkte kauft der Kunde über das Internet, oder bestenfalls nachdem er sich im Internet informiert hat in einem vom Reiseveranstalter kontrollierten Büro auf der Straße. Alles andere wäre zu teuer.

Wenn der Kunde aber eine kompliziertere Reise vor hat, wird er auf Reisebüro und Internet zurückgreifen. Er wird sich im Internet zunächst die Informationen zusammensuchen, mit denen er den Rahmen der Reise absteckt. Dann wird er sich einen Dienstleister suchen, der weiß, wo es die geeigenten Bauteile für die Reise gibt, und der in der Lage ist, sie so zusammenzuführen, das aus der Traumreise kein Alptraum wird.

Dies wird ein spezialisiertes Reisebüro sein. Dieses hat aber ein komplett anderes Profil als eine Annahmestelle für Reisebuchungen in den 80er-Jahren hatte.

Und was ist Ihre wichtigste Anforderung an ein Reisebüro im Zeitalter des Internet?