Putin oder der Westen?

Merkel’s Politik lief bisher darauf hinaus, die osteuropäischen Staaten vor die Wahl zu stellen: Putin oder Merkel? Ihre berechtigte Hoffnung war, daß sie diesen Schönheitswettbewerb gewinnen könnte, dies umso mehr, als Präsident Obama und John Kerry im Zuge des „Pivot to Asia“ die Federführung der westlichen Politik gegenüber Russland und auch zu großen Teilen gegenüber Iran, Syrien und Israel nach Berlin delegiert hatte.

Eines der Ergebnisse dieses Arrangements war das Nuklear-Abkommen mit dem Iran, das der US-Präsident letzte Woche aufgekündigt hat. Es sah vor, dass die Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, wenn Iran nachweislich die Massenproduktion von hoch-angereichertem Uran und Plutonium für die nächsten 10 Jahre aussetzt.

Der Bau von Trägersystemen für Atomwaffen, wie z.B. Mittel- und Langstreckenraketen wurden in dem Abkommen nicht reglementiert, und es wurden auch keine weitergehenden Verhandlungen zu diesem Thema vereinbart oder aufgenommen.

Dasselbe gilt für militärische Aktionen in Irak, Syrien oder Jemen durch den Iran, teilweise direkt, teilweise durch vom Iran gesteuerte Milizen. Dem iranischen Hegemoniestreben, das sich in diesen Aktionen ausdrückt, ist der Westen unter Obama und Merkel auch kaum entgegengetreten.

Die neue US-Administration hat nun gefordert, dass eine Lösung für die drei genannten Probleme gefunden werden müsse, wenn das Atomabkommen Bestand haben solle. Es gibt Berichte, dass die entsprechenden Verhandlungen mit der EU, Großbritannien, Frankreich und Deutschland daran gescheitert sein sollen, dass die europäische Seite Regelungen abgelehnt haben soll, nach der die ursprünglichen Sanktionen automatisch wieder in Kraft getreten wären, sollte der Iran  nach Auslaufen des ursprünglichen Abkommens sich der Fähigkeit, ungehindert Atomwaffen herstellen zu können, bis auf 12 Monate nähern.

Warum die EU eine automatische Reaktivierung der Sanktionen auch für den Fall ablehnt, dass Iran nach 2025 wieder in großen Mengen Uran oder Plutonium anreichern sollten, erschließt sich mir nicht.

Nach dem Scheitern der Gespräche zur Nachbesserung des Abkommens hat der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika das ursprüngliche Abkommen für obsolet erklärt und das Wiederaufleben der Sanktionen gegen den Iran angekündigt.

Berlin in Panik

Nachdem Präsident Trump die Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft gesetzt hat, hat die EU kategorisch erklärt, dass sie diese Politik unwirksam machen wolle, und Schaden vom Iran abwenden wolle. Die USA wurden zum außenpolitischen Gegner erklärt, vor dem Iran geschützt werden müsse.

Man erklärte weiterhin, dass man Russland in eine Koalition einbinden wolle, deren Ziel es ist, US-Sanktionen unwirksam zu machen. Das hat natürlich auch Implikationen für die Sanktionen der EU gegen Russland. Man wird kaum davon ausgehen können, dass Russland sich bereit erklärt der EU zu helfen, US-Sanktionen gegen den Iran zu umgehen, und gleichzeitig akzeptiert, dass die EU eigene Wirtschaftssanktionen gegen Russland aufrechterhält und US-Sanktionen gegen Russland anwendet.

Es ist natürlich auch eine ehrgeizige Annahme, dass ein eine Koalition zwischen der EU, Russland und dem Iran gegen die USA keine Auswirkungen auf die NATO hätte, und nicht die Bereitschaft der USA beeinflussen würde, amerikanische Soldaten sterben zu sehen, um die EU zu verteidigen.

Aber welche Bedrohung ist es denn, die Deutschland und die EU dazu bringt, den Schutz durch die NATO aufs Spiel zu setzen?

Was hat Berlin zu verlieren?

Hier stellt sich natürlich die Frage: Was ist für sie EU und seine grauen Eminenzen in Berlin so wichtig, dass man darüber das atomare Schutzschild der NATO aufgeben würde?

Die wahrscheinliche Antwort: Man fürchtet in Berlin, die Vorherrschaft über Europa zu verlieren.

Aber mal der Reihe nach:

Eine Wiederaufleben der Sanktionen würde zu einem sehr viel höheren Ölpreis führen. Ein Teil der Fördermenge des Iran würde vom Markt verschwinden, und es bestünde obendrein die Gefahr, dass Iran im Gegenzug versuchen würde, auch Öl aus Saudi Arabien und/oder Kuwait vom Weltmarkt fernzuhalten. Das könnte durch Beschränkungen der Durchfahrt durch die Straße von Hormuz geschehen, oder auch durch Terroristische Aktionen und/oder Raketenangriffe aus dem Jemen.

Ein daraus folgender Ölpreis um die 100 Dollar pro Fass würde einerseits das Wirtschaftswachstum in der EU und der Eurozone massiv ausbremsen. Andererseits würde dieser Preisanstieg zu einem erheblichen Inflationsschub führen, der sich nicht auf Energiepreise beschränkt. Das wiederum würde die EZB zu einer schnellen Zinserhöhung und zu einer Reduktion der Geldmenge zwingen.

Eine plötzliche Rezession, gepaart mit einer im Abschwung prozyklischen Zinsanhebung und restriktiver Geldpolitik würde in Italien und Griechenland zur Katastrophe führen. Andere Euro-Staaten würden ebenfalls in große Schwierigkeiten kommen.

Da Italien „too big to fail“, aber auch „too big to be saved“ ist, wäre eine Italienkrise das Ende der Eurozone, wie wir sie kennen.

Die die in der Panik der Griechenland-Krise von Merkel und Schäuble durchgesetzten Regularien garantieren jedoch die deutsche Dominanz über die Staaten der Eurozone. Daher würde ein Ende der Eurozone die  Machtposition der deutschen Regierung über die Eurozone und EU entscheidend schwächen.

Die Lösung mit Merkel und Putin

Aus Berliner Sicht ist also klar: Das iranische Öl darf unter keinen Umständen vom Markt verschwinden. Das ist jedoch nur möglich, wenn ein Markt für Öl eingerichtet wird, der nicht das Dollar-System nutzt. Die entsprechenden Kontrakte dürften nicht auf Dollar lauten, und der Clearing-Prozess müsste auch abseits des Dollars und möglicherweise auch ohne das SWIFT System und die meisten europäischen Großbanken organisiert werden.

Dazu müssen zwei Voraussetzungen gegeben sein:

  1. Es muss genügend Öl auf diesem Euro-denominierten Markt verfügbar sein, um eine übergroße Volatilität zu vermeiden.
  2. Es muss die notwendige Infrastruktur auf der Finanz- und IT-Seite zur Verfügung stehen.

Das für einen neuen Öl-Markt außerhalb des Dollar-Systems notwendige Volumen an Öl müsste zum großen Teil von Russland kommen. Die aktuelle Reisen von Wirtschaftsminister Altmaier und Kanzlerin Merkel nach Russland sollen hier vermutlich zu einer Klärung führen.

Die Finanzmarkt-Infrastruktur könnte von der EU-Seite kommen. Das Euro-System kann internationale Transaktionen handhaben, und auch Kontrakte abwickeln.

Der Nutzen für Russland

Allerdings würde Russland als einer der größten Ölproduzenten weltweit auch zu den großen Gewinnern eines höheren Ölpreises gehören. Warum sollte Putin also Merkel helfen, das iranische Öl am Markt zu halten und den Ölpreis zu deckeln?

Diese Frage führt zur zweiten Hälfte des notwendigen Arrangements: Die Finanzmarkt-Infrastruktur. Der US-Kongress hat – teilweise gegen den Willen von Präsident Trump – Sanktionen gegen russische Banken verhängt, die Finanztransaktionen zwischen Russen und  Firmen bzw. Bürgern anderer Länder erheblich erschweren.

Eine Finanzmarkt-Infrastruktur, die internationale Transaktionen am Dollar-System vorbei ermöglicht, wäre also für Russland sehr hilfreich.

Russland würde

  • seinen Zugang zu den internationalen Kapitalmärkten stärken,
  • die eigenen Exporterlöse gegen Drohungen mit Sanktionen aus USA und Europa absichern
  • und zusätzlich die Position des US-Dollar als Leitwährung erheblich schwächen

Diese drei Punkte zusammen könnten aus russischer Sicht eine Deckelung des Ölpreises im Bereich von 80 USD rechtfertigen, zumal ein weiterer Anstieg auch das Volumen der weltweiten Nachfrage reduzieren würde.

Kopenhagen und die neue chinesische Macht

Treibhausgase und mehr
Bei der Klimakonferenz in Kopenhagen ging es vordergründig um Treibhausgase und das Klima auf der Erde. In dieser Hinsicht war das Ergebnis mager und nichtssagend. Dennoch wird die Konferenz in die Geschichtsbücher eingehen. Warum?

China agiert als dominierende Supermacht

In Kopenhagen hat sich China als neue Supermacht etabliert. Insbesondere Politiker der EU haben vor Wut geschnaubt, konnten aber nichts dagegen setzen.

Keine Kontrolle der chinesischen Wirtschaft von aussen
Im Detail hat sich China geweigert, wem auch immer auf der Erde ein Recht zuzugestehen, einen eigenen Blick ins Innere der chinesischen Wirtschaft zu werfen – im konkreten Fall auf seine CO2-Emissionen.
Heißt das nun, daß China versuchen will, heimlich Kohle oder Erdöl zu verbrennen? Ich glaube nicht, denn die Chinesen haben das nicht nötig. Niemand kann sie daran hindern, weder mit militärischen noch mit ökonomischen Mitteln.

Beginn bei der Frankfurter Buchmesse
Warum dann dieses harte Nein? Die Chinesen haben hier einen Pflock eingeschlagen. Begonnen damit haben sie bei der Frankfurter Buchmesse, wo sie schon klargemacht haben, daß sie selbst bestimmen, worüber sie mit den Europäern reden, und wo sie es den Europäern überlassen, folgenlos über etwas zu schwätzen. Damals ging es um Menschenrechte, Meinungsfreiheit etc. deren plakative Deklamation China den Deutschen überlässt. In diesem Punkt war es einfach für die Chinesen, zu wissen, daß sie nichts zu befürchten haben, denn sie wissen, woher die Zensurtechnologie in Iran kommt, und sie sind sich auch der Bedeutung des Zensursula-Projektes der ersten Regierung Merkel bewusst.

Keine Kontrolle bei Klimagasen
Der nächste Schritt war die Mitteilung der Chinesen, daß sie selbst bestimmen, welche Informationen über ihre Wirtschaftsleistung sie anderen zugänglich machen. Damit hat sich ein weltweites System zum Handel mit Luftverschmutzungsrechten erübrigt.

Keine Kontrolle von Finanzdaten
Aber die Bedeutung geht weiter: Merkels Traum von einer weltweiten Steuer auf Finanztransaktionen ist damit auch ausgeträumt. Denn eine solche Steuer würde voraussetzen, daß die Chinesen Merkel und ihres gleichen detaillierten Einblick in die chinesische Finanzwirtschaft geben. Das muss für China völlig inakzeptabel sein, da es seinen Bestrebungen widerspricht, das Maximum für seine vielen Dollars von zweifelhaftem Wert zu bekommen. Diese Anfrage Merkals hat sich somit erledigt, bevor sie explizit an China harangetragen wurde.

Basis der chinesischen Macht
Es fragt sich nun: Warum konnten Merkel und ihre EU-Kollegen den Chinesen nicht einmal ein müdes Lächeln abringen? Woher kommt die chinesische Macht?

Nicht Gewehrläufe, sondern Computermaus
Und es stellt sich heraus, die chinesische Macht kommt zumindes in der jetzigen Situation nicht aus den Gewehrläufen. Militärisch kann China im Moment weder Europa noch USA bedrohen.
Aber die Chinesen könnten, wenn sie es für richtig halten, mit ein paar wenigen Mausklicks, oder sogar durch das Unterlassen einiger wenigen Mausklicks sowohl Europa als auch USA in ein Chaos stürzen. Sie müssten nur aufzuhören US-Staatsanleihen zu kaufen, oder einen Bruchteil von den Anleihen, die sie bereits gekauft haben, auf den Markt werfen. Innwehalb weniger Tage wäre das westliche Finanzsystem komplett zusammengebrochen. Es würde nicht mal mehr helfen, wenn die Notenbanken Anleihen ihrer Regierungen mit frisch gedrucktem Geld kauften, und die Regierungen per Gesetz das Wort Staatsbankrott verbieten würden.

Den Rest erledigt dann Europa selbst

Die Folgen, mit denen zumindest die deutsche Regierung für einen solchen Fall rechnet, sind innere Unruhen, Massenverhaftungen, eventuell Pogrome gegen Ausländer. Kurz gesagt, die Chinesen haben es nicht nötig, Europäern oder Amerikanern Gewalt anzudrohen. Es genügte schon, keine amerikanischen Staatsanleihen mehr zu kaufen, was ihr perfektes Recht wäre, und schon würden Europäer und möglicherweise auch Amerikaner ganz von alleine Gewalt gegen sich selbst anwenden.

Chinesen agieren immer noch vorsichtig
Die Chinesen sind sich dieser Machtposition bewusst, und sie haben diese in Kopenhagen zum ersten Male, wenn auch nur andeutungsweise, ausgespielt. Kein Wunder, daß Merkel wütend (und hilflos) war.
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